Die Grundlage: Pflanzenzüchtung
In Deutschland züchten rund 130 Unternehmen
landwirtschaftliche und gartenbauliche
Kulturpflanzen oder handeln
mit ihnen. Ihr Ziel ist, den Landwirten
beste Sorten und hochwertiges Saatgut
anzubieten. Den Landwirten stehen über
150 verschiedene Weizen- und fast 50
Roggensorten zur Auswahl. Durch die
klassische Linienzüchtung konnten in den
letzten 100 Jahren z. B. die Weizenerträge
sowie die Mahl- und Backeigenschaften
deutlich verbessert werden. In vielen
Regionen gibt es sogenannte Sortengespräche,
bei denen sich die Züchter mit
Landwirten und Mühlenunternehmen
über ihre Anforderungen an die Sorten
der Getreidearten austauschen. Getreide
sind nach dem Deutschen Lebensmittelbuch
die Brotgetreidearten Weizen (auch
Dinkel) und Roggen sowie die anderen
Getreidearten Buchweizen, Gerste, Hafer,
Hirse, Mais, Reis und Triticale.
Rohstofflieferant: Der Getreideanbau
Die deutschen Landwirte nutzen über
die Hälfte der Ackerfläche für den Anbau
der verschiedenen Getreidearten.
Sie sind durch ihr ackerbauliches Können
in der Lage, beste Qualitäten auf ihren
Äckern zu erzeugen: mit standortgerechter
Sorten- und Saatgutwahl, Bodenpflege
und -bearbeitung, gezielter Düngung
und sachgerechtem Pflanzenschutz. Bei
der Auswahl des Erntezeitpunkts müssen
Ährenreife und Witterung optimal zusammenpassen.
Entweder transportieren
die Landwirte ihre Ernte selber zur Mühle
oder der Getreidehandel, z. B. Genossenschaften,
tritt als Zwischenhändler auf.
Getreidehändler prüfen dann bereits die
Qualität des Getreides, reinigen es vor,
trocknen es, lagern es in Silos ein und
transportieren es per Lkw, Schiff oder
Güterzug zu den Mühlen.
Mühlen in Deutschland
Die Mengen und Qualitäten des hiesigen
Brotgetreides sind in der Regel so gut,
dass 95 Prozent der in deutschen Mühlen
verarbeiteten Menge aus Deutschland
stammt. Die Mühlen stellen pro
Jahr 5,7 Mio. t Mahlerzeugnisse aus
Weichweizen, etwa 300 000 t aus Hartweizen
und rund 710 000 t aus Roggen
her. Heute gibt es deutschlandweit 550
Mühlen: Sie beliefern kleine handwerkliche
Bäckereien, große Backbetriebe,
andere Lebensmittelhersteller und den
Einzelhandel mit vielfältigen Produkten
und führen zum Teil auch selbst einen
Mühlenladen. Ziel der Müllerei ist es,
genau die Produkte zu produzieren, die für
den jeweiligen Verwendungszweck am
besten geeignet sind.
Der Mahlprozess führt zur Produktvielfalt
Bei der Getreideannahme in der Mühle
wiegt der Müller das Getreide und überprüft
die Qualität. Wenn das Getreide
diese Qualitätsuntersuchungen bestanden
hat, wird es vom Lieferfahrzeug abgeladen.
Die anschließende Grobreinigung
trennt größere Bestandteile – wie
z. B. Stroh und Steinchen – vom Getreide.
Dann kann das Getreide in Silos
zwischengelagert werden. Vor der Vermahlung
erfolgt die sorgfältige Hauptreinigung:
Dabei trennen verschiedene Reinigungsmaschinen
mit unterschiedlichen
physikalischen Verfahren alle Bestandteile
ab, die nicht zum einwandfreien Mahlgetreide
gehören. Anschließend werden die
Getreidekörner im „Walzenstuhl“ zwischen
zwei Stahlwalzen schonend aufgebrochen
und zerkleinert. Im „Plansichter“
trennen gestapelte Siebe mit immer kleinerer
Maschenweite die unterschiedlich
großen Teile voneinander. Diese Abfolge
von Mahlen und Sieben heißt Passage: Sie
wiederholt sich so oft, bis der geplante
Trennungsgrad von Schalen- und Mehlteilchen
erreicht ist. Dabei entstehen die
verschiedenen Mühlenprodukte Schrot,
Grieß, Dunst und Mehl, die anschließend
nach Verarbeitungseigenschaften sortiert,
in Mehlsilos zwischengelagert und abschließend
zu den gewünschten Qualitäten
gemischt werden. Alle Prozesse – von
der Getreideannahme bis zur Abfüllung
– steuern und überwachen die Müller in
einer zentralen, heute häufig computergesteuerten
Leitstelle.
Qualitätssicherung in der Mühle
Die Mühlen überwachen kontinuierlich
die Qualität des Getreides sowie der Zwischen-
und Endprodukte während des
gesamten Verarbeitungsprozesses. Bei allen
Prozessschritten führen die Müller visuelle
und sensorische Kontrollen durch.
Im Mühlenlabor finden die erforderlichen
Prüfungen und Untersuchungen der Getreide-
und Produkteigenschaften statt:
z. B. auf Proteingehalt, Kleberqualität
oder Stärkebeschaffenheit. In der Versuchsbäckerei
werden Teig-, Knet- und
Backverhalten der Mehle praktisch getestet.
Transport und Lagerung der Getreidekörner
und Mahlerzeugnisse erfolgen
unter kontrollierten Bedingungen. So
erhält z. B. eine dosierte Belüftung sowie
die Überwachung von Temperatur
und Feuchtigkeit im Silo die Qualität des
Getreides. Betriebliche Qualitätsmanagementssysteme
stellen sicher, dass alle
gesetzlichen Vorgaben und viele darüber
hinausgehende Hygiene- und Produktsicherheitsstandards
eingehalten werden.
Die Mühlen-Kunden
Für den Endverbraucher werden die
Mehle und/oder Backmischungen in
haushaltsübliche Packungen abgefüllt,
z. B. in Größen von 500 oder 1 000
Gramm, und über den Einzelhandel verkauft.
Etwa sieben Prozent aller deutschen
Mahlerzeugnisse gehen an die
privaten Haushalte. Für die Belieferung
der Bäckereien und Lebensmittelwirtschaft
gibt es die Mahlerzeugnisse in
Säcken oder BigBags von 20 bis 1.250
Kilogramm. 75 bis 80 Prozent aller Mühlenprodukte
werden heute „lose“ mit
Silofahrzeugen zu den Kunden transportiert.
Das Backgewerbe mit seinen kleinen
und großen Betrieben stellt daraus
über 300 Brotsorten sowie rund 1.200
verschiedene Klein- und Feingebäcke
her. Die Lebensmittelwirtschaft verwendet
unterschiedliche Mahlerzeugnisse
für die Herstellung einer großen Palette
von Produkten: Mehl ist z. B. in Tiefkühlpizza,
Fertiggerichten und Babynahrung
enthalten. Aus Hartweizengrieß werden
Teigwaren hergestellt. Vollkornerzeugnisse,
Schrot, Grieß, Dunst und weitere
Spezialitäten (wie z. B. Flocken oder Extruderprodukte)
finden beispielsweise
Verwendung in Frühstückscerealien,
Suppeneinlagen, Pudding, Süßwaren
und Knabberartikeln. Nicht zu vergessen:
Mühlenprodukte wie Kleie, Grießkleie,
Futtermehle und Nachmehle sind
Zutaten für Tierfutter.
Qualitätssicherung spielt auch in den
letzten Stufen der Wertschöpfungskette
eine große Rolle. Denn nur so kommen
die Produkte in bestmöglichem Zustand
beim Endverbraucher an. Während des
Weges entlang der Kette hat sich der
Geldwert der Waren vervielfacht, denn
jede Stufe hat Leistungen erbracht und
verkauft ihre (Zwischen-)Produkte zu einem
erhöhten Preis weiter.
Text-Quelle: lebens.mittel.punkt 2-2014, S. 20/21, © i.m.a 2014