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Anders essen

Was heute noch das Image sonderbarer Delikatessen hat oder deren Verzehr als Mutprobe wirkt, könnte in naher Zukunft unsere Speisenpläne bereichern: Insekten und Algen. Immer mehr Menschen zeigen sich offen für diese Alternativen in der Ernährung.

  • Was meinen Sie, könnte der weltweit immer größere Bedarf an Lebensmitteln in Zukunft durch vermehrten Verzehr von Lebensmitteln aus Insekten oder Algen gedeckt werden?


Die Zukunft unserer Ernährung ist auch eine Altersfrage

Die Weltbevölkerung wächst; in dreißig Jahren werden voraussichtlich neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Wie werden sie sich ernähren? Und vor allem: Werden die vorhandenen Nahrungsmittel ausreichen?

Die Suche nach neuen Lebensmitteln treibt Forscher und Unternehmer an. In Deutschland gibt es Unternehmen, die Anlagen bauen, in denen Algen als Sauerstoffproduzenten, Biomasse oder Lieferanten von Eiweiß, Kohlenhydraten und Omega-3-Fettsäuren gezüchtet werden. Andere Spezialisten vertreiben bereits seit vielen Jahren Speise-Insekten und Insektenprodukte als „Fleisch der Zukunft“, das Proteine, Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe enthält. Weltweit gelten mehr als 1.900 Insektenarten als essbar. In Deutschland werden zurzeit Heuschrecken, Grillen, Mehl- und Buffalowürmer zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Erste Supermarktketten haben bereits Insektenprodukte im Sortiment und auch der Online-Handel nimmt zu.

Mit der Verbreitung der Produkte nimmt die Skepsis der Bevölkerung gegenüber dieser neuen Form der Ernährung ab. Weniger als die Hälfte, 47 Prozent der Befragten, lehnen den Verzehr von Lebensmitteln aus Algen und Insekten ab. Aber mit 45 Prozent stellen sich beinahe ebenso viele Menschen vor, dass wir den immer größer werdenden Bedarf an Lebensmitteln künftig auf diese Weise decken können.

Dabei sind Frauen noch skeptischer als Männer. Während 55 Prozent der männlichen Befragten Algen und Insekten als Nahrungsalternative anerkennen, wird sie von 56 Prozent der Frauen abgelehnt. Die Zustimmung ist mit 56 Prozent bei jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren ebenso groß wie die Ablehnung unter Senioren jenseits von sechzig Jahren. Befragte mit höherer Bildung wie Abiturienten und Studenten befürworten zu 55 Prozent diese neue Ernährungsform, während sie von Menschen mit Volks- und Hauptschulbildung zu 54 Prozent abgelehnt wird. Hoch ist die Ablehnung auch bei den Befragten in Baden- Württemberg (57%), in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (55%). Dagegen sind die Menschen in Berlin zu 73 Prozent davon überzeugt, dass Algen und Insekten zur Deckung des zunehmenden Bedarfs an Lebensmitteln beitragen können.

Werden also deutsche Landwirte künftig auch Insekten züchten und Algen anbauen?

↪ 47%: Skepsis bei Algen und Insekten als Nahrung

↪ Weltweit sind mehr als 1.900 Insektenarten essbar

↪ 45%: Zustimmung bei Insekten und Algen als Nahrung

"Wir werden eine radikale Veränderung in der Gewinnung pflanzlicher Grundstoffe erleben"

Gunnar Mühlstädt, Gründer und CEO der MINT Engineering GmbH

Ich bin sehr positiv überrascht, Gunnar Mühlstädtdass knapp die Hälfte aller Befragten einschätzt, dass zukünftig Algen als Alternative zur Deckung der Versorgung mit Lebensmitteln in Betracht kommen. Das zeigt mir ganz deutlich, dass den Menschen mittlerweile sehr bewusst ist, dass es drastische Veränderungen in der Landwirtschaft und Produktion von Nahrungsmitteln geben muss, um die Menschheit auch in Zukunft ausreichend und gesund ernähren zu können.

Mikroalgen werden dabei eine ganz wichtige Rolle einnehmen, da zur Kultivierung keine fruchtbaren Ackerflächen notwendig sind, die Produktion der Lebensmittel auch in urbanen Räumen direkt beim Konsumenten ohne lange Transportwege stattfinden kann. Das zeigen auch die Herausforderungen für den Landwirt in der Zukunft. Für ihn verändert sich das Berufsbild entscheidend – weg vom Großflächen bewirtschaftenden oder in hoch optimierter Massentierhaltung arbeitenden Landwirt hin zum Betreiber von dezentralen aquatischen Systemen. Wir werden eine radikale Veränderung in der Gewinnung landwirtschaftlicher pflanzlicher Grundstoffe erleben. Es bedarf eines neuen Verständnisses für die Produktion von Lebensmitteln, da es sich um völlig andere Pflanzen und technische Systeme handelt; neues Fachwissen muss vermittelt werden. Das macht den Beruf des „Landwirtes“ aus meiner Sicht jedoch nicht weniger attraktiv, denn schon heute ist die klassische Landwirtschaft bereits hoch technologisiert, und Landwirte sind aus meiner Erfahrung sehr offen für technische Innovationen. Die Integration von lebensmittelproduzierenden Systemen in Kreislaufprozesse wird auch die Komplexität der Systeme weiter erhöhen, Lebensmittelproduktion wird zukünftig ein aktiver Beitrag einer positiven Klimapolitik – und auch hier ist eine Neuordnung der Agrarsysteme politisch wie auch förderpolitisch notwendig, denn ohne eine politische Unterstützung wird es schwierig, diese Innovationen gegen subventionierte traditionelle Modelle durchsetzen zu können.

Es beginnt ein sehr spannender Prozess einer Agrarwende, den wir mit der Etablierung von wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Systemen zur Algenkultivierung gemeinsam mit vorantreiben möchten.

Bildquellen

Gabelbissen: adobeStock_© snack insects witzeeze adobestoc
Algenproduktion: MINT
Gabelbissen: adobeStock_© snack insects witzeeze adobestock
Insektenburger: adobeStock_© exclusive-design
Gunnar Mühlstädt: MINT