Einfach ganz anders: Einfach machen!
Die Handreichung „Einfach ganz anders: Einfach machen!“ ist das Ergebnis eines gemeinsamen Projektes des Eine Welt Netz NRW und der BUNDjugend NRW, dass von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wurde, und zum Ziel hat, Bildung für nachhaltige Entwicklung in Form von Projekten, Aktionstagen und Arbeitsgemeinschaften an Schulen zu bringen. In der Handreichung, die 2015 erstmalig in Form einer Loseblatt-Sammlung herausgegeben wurde, werden verschiedene Bildungsangebote vorgestellt, die sich organisatorisch und thematisch vielseitig im Unterricht einsetzen lassen. Möglich wäre neben der klassischen Projektwoche oder Arbeitsgemeinschaft auch eine Umsetzung als Klassenprojekt oder als Kursthema in der Sekundarstufe II, in dem die Schülerinnen und Schüler[1] selbstständig und arbeitsteilig an den entsprechenden Lerninhalten arbeiten könnten. Das Thema Landwirtschaft wird besonders in den Projektvorschlägen „Mein Essen und die Welt!“ und „Wasserwelt konkret!“ in den Fokus gerückt.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schüler haben mit der Bearbeitung der Materialien der Handreichung die Möglichkeit, vielfältige Kompetenzen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Alltag zu erwerben. Dieses Thema ist aktuell von außerordentlicher lebensweltlicher und gesellschaftlicher Relevanz, was sich auch in den Lehrplänen der Bundesländer wiederspiegelt. Fast alle Curricula greifen die Problematik der Nachhaltigkeit im Alltag auf, zumeist im Kontext der Landwirtschaft (vgl. HERTEMA 2019, S.12). Besonders die gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächer haben großen Anteil daran.
So fordert beispielsweise der Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg für das Fach Geographie in der Klassenstufe 7-9, dass die Schüler die Produktion und den Handel eines Welthandelsgutes hinsichtlich ihrer Raumwirksamkeit unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit darstellen und die eigene Position als Konsument überprüfen. Diese Forderung setzt die Handreichung beispielsweise im Rahmen des Projektes „Smoothie-Bar“ um, in dem sich die Lernenden mit der Herkunft von Obst, den naturräumlichen Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen in den Anbaugebieten sowie den Auswirkungen von Lebensmittelverschwendung auseinander setzen. Auch Saisonalität und Regionalität von Obstsorten wird thematisiert. Ähnliche Kompetenzen werden mit der Bearbeitung des Projektes „Wasserheld*innen: Entdecke das versteckte Wasser“ gefördert. Hierbei liegt der besondere Fokus auf virtuellem Wasser und der Sichtbarmachung des Wasserverbrauchs in alltäglichen (Konsum-)Gütern wie Kleidung, mobilen Endgeräten, Fleisch oder anderen Nahrungsmitteln wie Tomaten, Eier oder Brot.
Aufbau und Analyse der Handreichung
Die Handreichung ist eine Loseblatt-Sammlung, die in einem offenen Heftumschlag ohne Einband daherkommt. Sie beginnt mit einigen einleitenden Seiten zum Aufbau und zu möglichen unterrichtlichen Umsetzungsideen. Zudem wird ein Überblick über die einzelnen Themen und organisatorischen Möglichkeiten gegeben. Es folgt das Impressum. Im Weiteren soll auf eines der drei vorliegenden Projekte genauer eingegangen werden, dass die mediale, materiale und organisatorisch abwechslungsreiche Vielfalt umfassend darstellt.
„Die Smoothie-Bar“ beginnt mit einem ersten Informationsblatt, auf dem die Zielgruppe, maximale Gruppengröße, zeitlicher Umfang und Vorbereitungsaufwand vermerkt sind. Zudem wird eine kurze inhaltliche Einführung in das Projekt gegeben. Es folgt die Ablaufübersicht, auf der alle zugehörigen elf Materialienseiten (M1-M11) vermerkt sind. Thema und Methode, Zielsetzung sowie Zeitrahmen der einzelnen Arbeitsblätter sind ebenfalls darauf zu finden. Begonnen wird mit der Begrüßung, in der Abläufe, Gruppeneinteilungen und Kennenlernspiele durchgeführt werden. Über die anschließenden zwei Arbeitsblätter (M2-M3) werden diese Spiele, die die Lernenden aus ihrer Lebenswelt abholen sollen, vorgestellt. Im Anschluss daran wird gemeinsam eine Art „Globaler Obstsalat“ (M4) erstellt, bei dem die Schüler die Herkunft verschiedene Obstsorten mithilfe einer großen Weltkarte, Texten und Statistiken bestimmen sollen. Dazu werden unterschiedliche Modifikationen je nach Alter der Lernenden angeboten. Es schließt sich das gemeinsame Schauen eines Dokumentarfilmes (M5) an, über den anschließend diskutiert wird. Der Fokus liegt dabei auf dem Bananenanbau in Ecuador, Costa Rica und der Dominikanischen Republik. Darauf folgt der Smoothie-Marktplatz (M6), auf dem die Lernenden besonders die Transportwege der Obstsorten in den Blick nehmen sollen. Mithilfe von verschiedenen Tischen, die die Kontinente repräsentieren sollen und Kärtchen, die wichtige Informationen über Preis, Saisonalität, Herkunftsregionen usw. enthalten, erhalten die Schüler ihre Aufgaben. Sie sollen die Obstsorten beispielsweise für einen besonders günstigen Smoothie oder für einen besonders nachhaltigen Smoothie oder für einen besonders regionalen Smoothie zusammenstellen. Auf diese Weise werden sie für die unterschiedlichen Probleme sensibilisiert. Als weiteres Material wird ein Kurzfilm zur Verschwendung von Lebensmitteln (M7) in Deutschland angeboten, der gemeinsam diskutiert werden kann. Diese Diskussion kann auch in Form eines World-Cafés (M8) erfolgen, dass dem Ganzen eine Struktur verleiht und dafür sorgt, dass unterschiedliche räumliche Perspektiven auf das Thema eingenommen werden können. Denkbar wäre auch, ein Brainstorming zu Handlungsalternativen (M9) durchzuführen. Als letzte Aktion werden gemeinsam Smoothies (M10) hergestellt und der Projekttag mit der Zielscheiben-Methode (M11) reflektiert. Jede der vorliegenden Materialien bietet alternative Möglichkeiten der Umsetzung, weitere praktische Tipps sowie lerngruppenspezifische Differenzierungsangebote an. Die Verweise auf Internetlinks und die Aufgaben sind materialbezogen und passend ausgewählt
Reflexion
In der Analyse ist deutlich geworden, dass die Autoren in dieser Handreichung ein sehr aktuelles und gesellschaftlich kontrovers diskutiertes Thema behandeln. Für die Lernenden ist es sinnvoll und notwendig, diese Sachverhalte im Unterricht anzusprechen. Die Analyse des Aufbaus hat bereits deutlich gemacht, dass die Materialien primär für die Gestaltung von Projekttagen und Arbeitsgemeinschaften konstruiert wurden. Der Lehrkraft werden darin hilfreiche handlungsorientierte und methodisch vielfältige Anregungen gegeben. Dennoch ist darauf zu achten, dass eine angemessene fachliche Einbettung der Sachverhalte gegeben ist. In Gesprächen mit den (Fach-)Kollegen, die Projektwochen zugrunde gelegt werden, sollten Zuständigkeitsbereiche (z.B. Biologie, Politik, Geographie) abgesteckt werden. Denn nur auf diese Weise kann ein nachhaltiger Kompetenzaufbau angebahnt werden. Diese auf den Fächern basierende Strukturierung geht aus der Handreichung nicht hervor. Bereits auf der Auftakt-Seite, die der Lehrkraft als Grundlage und erste Information dient, wird kein Bezug zu Lehrplänen oder Bildungsstandards hergestellt. Auch für die weiteren Materialien (M1-M11) ist dies zu konstatieren. Dort beschränken sich die kurzen Beschreibungen am Beginn auf die Abläufe und nehmen keinen Bezug zu den entsprechenden Vorgaben, was sich schließlich auch in den Aufgaben unten auf den Materialien zeigt. Sie weisen keine Operatoren auf und dienen der reinen Wiederholung des Gelesenen. Wichtig wäre es an dieser Stelle, Zusammenhänge zu grundlegenden Fachbegriffen und bereits erworbenen Lerninhalten herzustellen.
Das zur Verfügung gestellte Textmaterial für die Schülerhand ist sehr umfangreich. Auch die Seiten mit den Hintergrundinformationen wirken überladen, sehr komplex und zeichnen sich durch mangelhaft recherchierte Quellen aus. Gleiches gilt für die Bilder, Karikaturen und Statistiken. Diese sind häufig von einschlägig bekannten Institutionen wie Greenpeace oder dem WWF. Hinzu kommt, dass die Zitierweise teilweise fehlerhaft ist. Wünschenswert wäre eine ausgewogene und fachdidaktisch begründete Materialauswahl, in der die Sachverhalte sachlich geschildert werden und mit denen eine eigene und reflektierte Meinung gebildet werden kann.
Abschließend ist zu sagen, dass die Handreichung medial vielfältige und abwechslungsreiche Materialien anbietet. Die Lernenden werden dadurch motiviert, aus ihrer Lebenswelt abgeholt und zum Nachdenken über ihr eigenes Verhalten angeregt. Besonders lobenswert sind das handlungsorientierte Vorgehen und die Methodenwechsel innerhalb des gesamten Vorgehens. Für den unterrichtlichen Einsatz eignet sich das Lehrwerk dann, wenn im Vorfeld eine angemessene unterrichtliche und fachliche Einbettung vorgenommen, inhaltliche Grundlagen aufseiten der Schüler vorhanden sind und eine freie Meinungsbildung im Unterricht ermöglicht wird. Als Materialsammlung, aus der die Lehrkraft einzelne Aspekte für ihren Unterricht auswählen kann, eignet es sich sehr gut.
[1] Im Folgenden wird zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum angewendet.
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