Milchproduktion und Milchviehbetrieb als außerschulischer Lernort für die Sekundarstufe II
Der Band „Milchproduktion und Milchviehbetrieb als außerschulischer Lernort für die Sekundarstufe II – Eine handlungs- und schülerorientierte Konzeptionierung zum Regionalen Lernen“ ist 2016 von der Universität Bremen herausgegeben worden. Dabei handelt es sich um ein Produkt des Instituts für Geographie, in dem sowohl eine fachliche Einführung in die Thematik des Regionalen und außerschulischen Lernens gegeben als auch eine mehrfach erfolgreich durchgeführte Stationenarbeit mit ihren Materialien zur Verfügung gestellt wird. Das Werk lässt sich auch digital kostenlos abrufen. In allen Kapiteln wird das Thema Landwirtschaft angesprochen.
Lernziele und Kompetenzen
Diese curricularen Inhalte bieten ein enormes Potenzial für die Öffnung von Schule und für außerschulisches regionales Lernen. Komplexe regionale Strukturen und dynamische Prozesse in der Landwirtschaft lassen sich mit Betriebserkundungen direkt erfahrbar machen. Zentrale Themen wie Globalisierung, Strukturwandel und Nachhaltigkeit können auch aus fachübergreifender Perspektive behandelt werden.
Für die Arbeit an niedersächsischen Gymnasien vorgesehen, realisiert der Band die im Kerncurriculum des Faches Geographie geforderten Kompetenzen. Speziell im „Raummodul 1: Deutschland in Europa“ in Kombination mit einem der vier Fachmodule lassen sich die Materialien einsetzen. Das Kerncurriculum sieht vor, dass die Schüler[1] den Strukturwandel in der Landwirtschaft erklären können. Dabei werden unterschiedliche Schwerpunkte, wie zum Beispiel die Agroindustrie, EU-Subventionen oder nachwachsende Rohstoffe betrachtet. In der Stationsarbeit werden zu diesen Aspekten Materialien angeboten. So können in Station 2: „Milchviehfütterung“ die Zusammenstellung und Herkunft des Tierfutters analysiert werden. Aktuelle Diskussionen wie die Frage nach dem angemessenen Milchpreis werden in den Materialien der Station 5: „Aspekte aktueller Diskussionen rund um die Milchwirtschaft“ angesprochen.
Analyse
Aufbau der Kapitel
Der Band gliedert sich in sechs Kapitel. Die ersten Seiten sind mit einem kurzen Abstract sowie einer Einleitung gefüllt. Es folgt eine umfangreiche Darstellung und Erläuterung des Regionalen Lernens im Verbund mit entdeckendem und forschendem Lernen am außerschulischen Lernort. Dabei wird sowohl auf dem Begriff Regionales Lernen eingegangen als auch seine Einbettung in das Curriculum der gymnasialen Oberstufe des Bundeslandes Niedersachsen thematisiert. Im Anschluss daran wird der Milchviehbetrieb Kück, ein im östlichen Teufelsmoor im Landkreis Rotenburg gelegener Lernstandort, beschrieben und seine historische und aktuelle Entwicklung nachgezeichnet. Auch das methodisch-didaktische Konzept wird vorgestellt sowie die Entwicklung des Hofes zu einem außerschulischen Lernstandort beschrieben. Die einzelnen Schritte werden dabei nachgezeichnet und die Ergebnisse präsentiert. Den Abschluss des theoretischen Teils bilden ein Ausblick, in dem mögliche Weiterentwicklungen des Konzeptes skizziert werden sowie das Literaturverzeichnis.
Den zweiten Teil des Bandes bildet der Anhang, indem die Materialien für eine Stationsarbeit auf dem Milchhof Kück enthalten sind. Eine Übersicht zeigt die fünf Stationen mit ihren Titeln und Schwerpunkten. Die erste Station befasst sich mit den Standortvoraussetzungen und Produktionsbedingungen. Station zwei fokussiert auf die Milchviehfütterung. Die dritte Station legt das Hauptaugenmerk auf die Produkte aus der hofeigenen Molkerei, während im Zuge der Bearbeitung von Station vier die Prozesse bei der Herstellung von Milchprodukten näher betrachtet werden sollen. In der fünften und letzten Station werden Aspekte aktueller Diskussionen rund um die Milchwirtschaft aufgegriffen. Zu allen Arbeitsblättern sind Lösungen vorhanden.
Im Weiteren sollen nun die Materialien der Stationsarbeit näher betrachtet und reflektiert werden.
Die erste Station „Standortvoraussetzungen und Produktionsbedingungen“ umfasst fünf Arbeitsblätter. Auf dem ersten unter ihnen findet sich eine Aufgabe zur Bestimmung des Bodentyps und zur Nutzung des Standorts. Zur Lösung kann das beiliegende Kartenmaterial genutzt werden. Die zweite Aufgabe besteht darin, das Hofgelände zu erkunden und einen Grundriss des Hofes anzufertigen. Dabei helfen eine Stichwortliste mit wichtigen Gebäuden sowie ein vorgefertigtes Arbeitsblatt, in das der Grundriss gezeichnet werden kann.
Station zwei „Milchviehfütterung“ nimmt den Verbrauch, die Zusammenstellung und die Herkunft des Futters in den Blick. Die erste Aufgabe besteht darin, eine Tagesration Futter für eine Milchkuh zusammenzustellen. Im Anschluss daran, sollen Hypothesen aufgestellt werden, warum die einzelnen Zutaten des Futters nur selten aus der Region stammen. Aufgabe drei nimmt die Länder, aus denen die Rohstoffe für das Tierfutter importiert werden in den Blick. Dazu stehen kurze Textausschnitte zur Verfügung, die insbesondere den Import von Soja thematisieren. Mithilfe dieser Informationen sollen in einer Karte die „Wege des Futters“ eingezeichnet werden. Abschließend erhalten die Schüler die Aufgabe, die Probleme des Sojaimports zu benennen.
Bei der Bearbeitung der Station drei beschäftigen sich die Schüler mit Produkten aus der hofeigenen Molkerei. Der Arbeitsauftrag besteht zunächst darin, die verschiedenen Milchprodukte zu probieren. Danach soll die Konsistenz beschrieben, der Produktname genannt sowie der Preis geschätzt werden. Außerdem sollen die Arbeitsschritte bei der Herstellung von Käse und Joghurt nachvollzogen werden. Dazu müssen Textausschnitte in die richtige Reihenfolge gebracht werden.
Station vier stellt Produktionsprozesse von Molkereiprodukten in den Mittelpunkt. Dazu sollen die Schüler drei Versuche durchführen – Homogenisierung von Milch, Butter schütteln und Molke herstellen. Die Anleitungen finden sich auf den drei Arbeitsblättern. Zu jedem Versuch soll ein Protokoll angefertigt werden, auf dem neben Namen und Thema auch die benötigten Materialien, der Versuchsablauf, die Beobachtungen und die Auswertung der Ergebnisse dokumentiert werden sollen.
Die letzte Station, in der die Schüler Aspekte aktueller Diskussionen rund um die Milchwirtschaft diskutieren, zeigt zunächst eine Karikatur zum Thema Milchquote. Auf dem ersten Arbeitsblatt erhalten sie die Aufgabe, die Karikatur zu beschreiben und auszuwerten sowie Aussagen mit richtig oder falsch zu bewerten. Das zweite Material behandelt den „fairen Milchpreis“ und steigt mit einem Diagramm ein, aus der der Gewinnanteil der einzelnen Bereiche der Milchverarbeitung hervorgeht. Zwei Rechenaufgaben folgen, die das häufige Problem, dass die Landwirte nicht genügend an ihren Produkten verdienen, verdeutlichen. Zu diesen Aufgaben sind Lösungstipps beiliegend. Im dritten Material werden unterschiedliche Betriebsausrichtungen diskutiert. Dabei soll mithilfe einer Concept Map dargestellt werden, welche Beziehungen und Handelswege zwischen dem Landwirt, dem Einzelhandel und der Molkerei bestehen. Im Anschluss daran sollen Vor- und Nachteile von Betriebsausrichtungen benannt werden. Der vierte Teil thematisiert die Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage. Die Aufgabe besteht darin, einen kleinen Text zu lesen und mögliche Schwankungen des Milchpreises graphisch darzustellen und zu diskutieren. Auch hierzu kann eine Tippkarte genutzt werden. Im fünften Teil steht die Milchquotenregelung im Fokus der Betrachtung. Kleine Texte beschreiben die Situation vor und nach dem Wegfall der Quote. Daraus sollen wichtige Schlüsselbegriffe entnommen und in ein großes Fließdiagramm übertragen werden. In einem sechsten Teil geht es um den Strukturwandel in der Landwirtschaft. In einer Übersicht sind bedeutende Kennzeichen dieses Wandels dargestellt. Sie sollen Schlagwörtern zugeordnet werden.
Reflexion
Die Gestaltung und Ausrichtung der Arbeitsmaterialien in diesem Band ist sehr interessant und stellt eine gelungene Ansprache für die oberen Jahrgangsstufen dar, für die kaum Lehr-Lern-Materialien in dem Kontext des „Lernens auf dem Bauernhof“ angeboten werden. Der Band besticht durch die methodisch abwechslungsreiche Gestaltung mit Experimenten, Kartierung u.v.m., sodass Wechselwirkungen und Zusammenhänge vielfältig vermittelt werden können. Eine Einbettung dieses Angebotes in den Unterricht ist durch die Berücksichtigung der curricularen Vorgaben gut möglich. Allerdings sind die Materialien zum Teil von schlechter grafischer Qualität (thematische Karten, Versuchsbeschreibungen). Außerdem ist der hohe Textanteil der Arbeitsblätter zu bemängeln, geht es doch bei Erkundungen vornehmlich um die direkte Erfahrbarkeit der Sachverhalte. Auch die Aufgaben der Stationen sollten weniger darauf abzielen, Reihenfolgen zu bilden (Station 3), sondern eine eigenständige Auseinandersetzung mit den Abläufen ermöglichen. Darüber hinaus könnte der unterschiedliche Umfang der einzelnen Stationen den Verlauf der Stationsarbeit behindern.
[1] Im Folgenden findet ausschließlich die maskuline Form Anwendung. Dies schließt jedoch die stets die feminine Form mit ein.
Details Eintrag
- Alle