Seydlitz Geographie 9/10“
Das Schulbuch „Seydlitz Geographie 9/10“ ist 2017 erstmalig im Schröedel-Verlag, einem Teil der Westermann-Gruppe, erschienen. Es ist konzipiert für den Geographieunterricht im Bundesland Schleswig-Holstein und kann dort in der Klassenstufe 9 und 10 der Gemeinschaftsschule eingesetzt werden. Als Lehrwerk in einer Reihe baut es auf den Büchern der Klassenstufen 5/6 und 7/8 auf. Neben der Schülerausgabe sind analoge und digitale Lehrermaterialien sowie eine digitale Fassung des Buches erhältlich, sodass es auf Endgeräten wie Tablets, Smart- oder Active-Boards genutzt werden kann. Das Thema Landwirtschaft wird auf den Seiten des fünften Kapitels ausführlich behandelt, dass den Titel trägt: „Versorgung und Konsum in Europa – Produktionsketten und nachhaltige Strategien“.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler[1] erhalten bei der Bearbeitung der Seiten des Lehrwerks die Möglichkeit, zahlreiche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben. Orientiert an den Bildungsstandards zeigen die Fachanforderungen für das Fach Geographie in Schleswig-Holstein die verbindlichen Arbeitsschwerpunkte für den Unterricht in Klasse 9 und 10 auf, die sich im Buch wiederfinden. So findet sich dort beispielsweise der Schwerpunkt „Räume im Wandel“, zu dem das Kapitel sechs: „Regionale Potenziale und nachhaltige Strategien“ gezählt werden kann. Hier werden unterschiedliche nicht-erneuerbare und erneuerbare Energiequellen wie Kohle, Erdöl, Wasser oder Geothermie vorgestellt. Mithilfe der Methode des Wertequadrats können die Entwicklungen kritisch aufgearbeitet werden. Das Kapitel zur Landwirtschaft findet sich ebenfalls in den Themenvorgaben der Fachanforderungen wieder und kann dem Schwerpunkt „Nachhaltige Nutzung von Ressourcen – Wissen, Handeln und Verantwortung“ zugeordnet werden. Hier lernen die Schüler die naturräumlichen Voraussetzungen für den Anbau einzelner Nutzpflanzen oder zentrale Aspekte des Strukturwandels in der Branche kennen. Methodisch werden die Lernenden an die Erstellung eines Beziehungsgeflechtes herangeführt, das den Transfer einzelner regionaler Entwicklungen auf die globalen Zusammenhänge ermöglicht.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch weist die bekannte Konzeption eines geographischen Schulbuches auf. Neben der Erläuterung der drei Anforderungsbereiche im Einband finden sich Tipps zur Arbeit mit dem Buch, wo Symbole, Markierungen und Farben erklärt werden. Es folgt eine Übersicht über den Inhalt, in dem die sieben Kapitel des Lehrwerkes sowie der Anhang aufgelistet werden. Diese beginnen mit Einstiegsdoppelseiten, die mit ihren großformatigen Bildern eine erste Möglichkeit der Auseinandersetzung geben. Es folgen die Themendoppelseiten, die unterschiedliche Medien miteinander kombinieren: Texte, Bilder, Grafiken, Tabellen und Diagramme. Diese Materialien können im Rahmen einer Unterrichtsstunde bearbeitet werden. Darüber hinaus verfügen die Kapitel über Methodenseiten, die an fachspezifische Arbeitsweisen und fachübergreifende Arbeitsmethoden heranführen. Häufig werden dort konkrete Checklisten für die Durchführung oder ein praktisches Beispiel gegeben. Den Abschluss jedes Kapitels bilden die Trainingsseiten, mit deren Hilfe die Schüler das Gelernte individuell durch Rätsel und Übungen überprüfen können.
Im Anhang sind zunächst Lösungstipps für besonders komplexe Aufgaben aus den Kapiteln gegeben. Daran schließt ein Lexikon an, in dem noch einmal wichtige Begriffe mit entsprechenden Seitenverweisen erläutert werden. Darauf folgt eine Auflistung ausgewählter Arbeitsmethoden, die bereits aus den vorangegangenen Schuljahren bekannt sein sollten. Kurze Erklärungen sowie eine Checkliste für die Durchführung werden zur Verfügung gestellt. Zudem bietet das Buch Unterstützung bei der Erarbeitung einer Präsentation und der Gestaltung weiterer graphischer Darstellungen. In diesem Zusammenhang wird auch auf digitale Quellen verwiesen. Auf der letzten Seite sind die Bildnachweise aufgelistet. Im Einband ist eine physische Karte der Erde sowie ein Querschnitt entlang eines Breitengrades zu sehen, auf der die Grenzen der Lithosphärenplatten deutlich werden.
Das Thema Landwirtschaft wird in Kapitel fünf: „Versorgung und Konsum in Europa – Produktionsketten und nachhaltige Strategien“ in den Blick genommen. Neben den naturräumlichen Voraussetzungen für ausgewählte Nutzpflanzen wie Mais oder Kartoffeln werden auch politische Rahmenbedingungen der europäischen Landwirtschaft wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) oder die Subventionspolitik der EU thematisiert. Die folgende Doppelseite behandelt den Strukturwandel in der Landwirtschaft am Beispiel der vier Schlagworte: Technisierung, Modernisierung, Spezialisierung und Umorientierung. Daran schließt sich das Thema freie Marktwirtschaft an. Nach der Methodendoppelseite zur Erstellung eines Beziehungsgeflechts wird der Apfel als „der Deutschen liebstes Obst“ behandelt. Im Weiteren werden die ökologische Landwirtschaft und andere alternative Formen der Landwirtschaft wie das Urban Gardening oder das Vertical Farming betrachtet. Auch die Gentechnik als Möglichkeit der Ertragssteigerung wird behandelt. Die übrigen Kapitel gehen auf das Thema Landwirtschaft nur randlich ein und werden daher bei der reflexiven Betrachtung nicht berücksichtigt.
Reflexion
In der Analyse ist bereits deutlich geworden, dass sich das Lehrwerk durch eine gute, übersichtliche und logische Struktur auszeichnet. Es ist ferner schülernah, lebensweltorientiert und abwechslungsreich gestaltet. Die Themendoppelseiten zeichnen sich durch ein deutliches Übergewicht der Texte aus, die nur teilweise strukturell mit Hilfe von Überschriften oder Markierungen gegliedert sind. Es wäre daher wünschenswert solche gliedernden Elemente zu nutzen, um auch die Lernenden mit Leseschwierigkeiten zu unterstützen. Es werden zudem keine Definitionen oder Begriffserläuterungen gegeben. Diese können jedoch im Lexikon nachgeschlagen werden. Erfahrungsgemäß nutzen Schüler diese Möglichkeiten nur selten. Die Bilder sind von guter Qualität, könnten allerdings größer sein, um besser in den Lernprozess integriert werden zu können. Gleiches gilt für die Schaubilder, wie an den Kreislaufdarstellungen zur ökologischen Landwirtschaft deutlich wird. Sie stehen in keinem Verhältnis zu den Diagrammen und Tabellen, die im Vergleich dazu eher groß wirken. Die übrigen Materialien, wie die Quellentexte sind zielführend ausgewählt, könnten jedoch ein vielfältigeres Meinungsbild abdecken. Die Aufgaben sind taxonomisch gegliedert und differenziert. Sie regen zu einer tiefgreifenderen Auseinandersetzung mit den Materialien an. Auffällig ist jedoch der hohe Anteil der Aufgaben, die dem Anforderungsbereich drei zugeordnet werden können. Schüler mit Lernschwierigkeiten fällt das Lösen dieser schwierigen Aufgaben schwer. Sinnvoll wäre daher ein breiteres Aufgabenspektrum, das über die durchschnittlichen vier hinausgeht. Exemplarisch sollen im Weiteren einige Seiten ausgewählt und reflektiert werden.
Die Doppelseite „Strukturwandel in der Landwirtschaft“ beschreibt selbigen Begriff mit vier Schlagworten: Technisierung, Modernisierung, Spezialisierung und Umorientierung. Im Text werden diese Schlagworte teilweise erläutert und zueinander in Beziehung gesetzt. Die spezifischen Ausprägungen werden auf der zweiten Seite in den Fokus gerückt. Dabei erfolgen die Erklärungen von Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern Europas. Mit Hilfe dieser Aussagen und der Bilder wird zum einen ein Lebensweltbezug hergestellt und zum anderen eine Veranschaulichung erzielt. Die übrigen Materialien, wie die Tabelle und die Fotos, in denen die Landwirtschaft um 1900 mit der von 2014 verglichen wird, tragen weiterhin zur Unterstützung des Kompetenzaufbaus bei. Die Doppelseite hinterlässt zudem einen positiven Gesamteindruck, da das Verhältnis von Texten und Bildern/Materialien ausgeglichen ist und die Texte mit Hervorhebungen arbeiten. Die Aufgaben regen zur weiteren Auseinandersetzung an. Wünschenswert wäre es an dieser Stelle, eine Erkundung zu einem spezialisierten Landwirtschaftsbetrieb einzuplanen.
Eine weitere Doppelseite, die sich mit der ökologischen Landwirtschaft auseinandersetzt, zeigt ein anderes Bild. Im Text wird wieder mit Hervorhebungen gearbeitet, es fehlt jedoch an einer unterstützenden Gliederung, die Lernenden mit Leseschwierigkeiten Hilfestellungen gibt. Insgesamt ist der Textanteil auf dieser Doppelseite sehr groß, was viele Schüler demotiviert. Inhaltlich ist der Text sehr informativ, sachlich richtig und didaktisch reduziert. Die Abbildungen, insbesondere jene zur Kreislaufwirtschaft, sind sehr klein, sodass inklusive Schüler Probleme beim Lesen bekommen. Im Verhältnis dazu wirkt das Säulendiagramm sehr groß. Ein ausgewogeneres Verhältnis wäre wünschenswert.
Alles in allem besticht das Lehrwerk durch seine informativen, sachlich richtigen und didaktisch reduzierten Materialien, die schülergerecht und lebensweltorientiert gestaltet sind. Vielfach sind jedoch die Texte zu lang und sollten mehr strukturierende Elemente wie Zwischenüberschriften oder Markierungen anbieten, um die Schüler nicht zu demotivieren. Die Bilder und Grafiken sind zielorientiert ausgewählt und von guter Qualität. Sie sollten an einigen Stellen jedoch etwas größer sein. Zudem wäre ein stärkerer Bezug zum außerschulischen regionalen Lernen und der Berufsorientierung wünschenswert, der die Lernenden beim Erkenntniserwerb unterstützen und sie motivieren würde.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden das generische Maskulium angewandt.
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