Mein weitgereister Erdbeerjoghurt - Wie unsere Ernährung die Umwelt beeinflusst
Das vorliegende Kinder- und Jugendbuch „Mein weitgereister Erdbeerjoghurt – Wie unsere Ernährung die Umwelt beeinflusst“ ist 2020 erstmals im ars-Edition-Verlag erschienen. Im Juli 2020 wurde es von der deutschen Umweltstiftung mit dem Titel „Umweltbuch des Monats“ ausgezeichnet. Es ist geeignet für Kinder ab 10 Jahren, die sich mit Fragen rund um das Thema Ernährung auseinandersetzen möchten. Daher könnte es auch für Grundschulen und Kinderfreizeiteinrichtungen eine gute Anschaffung für die Hausbibliothek sein. Zudem könnte es Lehrkräften der oberen Klassenstufen der Grundschule, den unteren Klassen der weiterführenden Schule sowie für pädagogische Mitarbeiter:innen eine Unterstützung für die Bildungsarbeit geben. Vorstellbar wäre ein Einsatz im Sachunterricht, der Geographie oder im hauswirtschaftlichen Unterricht der Klassenstufe 5/6. Aus der landwirtschaftlichen Perspektive sind insbesondere die drei Doppelseiten mit den Themen „Öko-Bauer oder Manager“; „Klima auf dem Teller“ und „Die Masse macht es nicht“ interessant, in denen es um die Arten der Landwirtschaft, die konsumkritische Betrachtung von Fleisch und die Tierhaltung am Beispiel von Huhn und Schwein geht.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des Kinder- und Jugendbuches können die Lernenden zahlreiche Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die sich in den Curricula der Bundesländer wiederfinden. So fordert beispielsweise der Lehrplan des Heimat- und Sachkundeunterrichts für das Bundesland Thüringen, dass die Schüler:innen die Bedeutung von Nutztieren für den Menschen erläutern. Das Buch setzt diese Forderungen auf der Doppelseite 23/24 zur Schweinehaltung um, auf der dargestellt wird, welche Teile des Schweines wir konsumieren, wie die Tiere leben und welche Bedürfnisse bei der Haltung besondere Berücksichtigung erfahren. Ferner schreibt der Lehrplan vor, dass die Lernenden Maßnahmen zur verantwortungsvollen Haltung und Pflege von Nutztieren beschreiben können. Hierzu weist dieselbe Doppelseite aus, in welcher Form sich die ökologische von der konventionellen Haltung unterscheidet. Auch der geforderte Unterschied zwischen Wild- und Nutztieren wird umgesetzt, in dem die darauffolgende Doppelseite die bekanntesten Wildarten abbildet, von denen wir Fleisch konsumieren.
Aufbau und Analyse der Seiten
Das Buch kommt in einem Format, dass etwas kleiner als DIN A4 ist, und in einem festen Hardcovereinband daher. Nach der Einstiegsseite folgt das Vorwort der Autor:innen, an welches das Inhaltsverzeichnis anschließt. Aus diesem geht hervor, dass es insgesamt 27 inhaltlich gefüllte Themenseiten gibt. Dabei wird mit einer Doppelseitenstruktur gearbeitet. Unterbrochen wird dieses Schema von Seiten, die großformatige, die ganze Doppelseite einnehmende Fotos zeigen. Darauf finden sich in der Regel Impulsfragen, die zur Bearbeitung der Inhalte herangezogen werden können.
Die thematischen Doppelseiten lassen sich nicht stringent in Kapitel oder Oberthemen gliedern, wobei schon ausgemacht werden kann, dass es zunächst stärker um die Urproduktion, d.h. Nutztiere, Fleisch und weitere tierische Produkte, daran anschließend verstärkt um Obst und Gemüse sowie im letzten Teil um Ernährungsweisen, Verpackungen und Kauf- bzw. Konsumentscheidungen geht. Die Seiten sind gespickt mit Texten, Bildern und Informationsgrafiken, die auch Zahlen, Pfeile und Skizzen enthalten, um die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sachverhalten zu verdeutlichen.
Aus der Perspektive der Landwirtschaft sind besonders die drei eingangs genannten Doppelseiten interessant, die sich auf den vorderen Seiten des Buches finden lassen und im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Auf der Doppelseite „Öko-Bauer oder Manager?“ – die zweite Doppelseite im Buch – legt den Fokus auf die ökologische Landwirtschaft, wobei auch die unterschiedlichen Arten von landwirtschaftlichen Betrieben (Marktfrucht, Futterbau, Veredelung, Dauerkultur, Gemischtbetrieb) unterschieden werden. Ferner kommen die unterschiedlichen Lagen und Größen der Betriebe zur Sprache. Schließlich wird zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft differenziert, die Unterschiede in einem Schaubild gegenübergestellt und in einem kleinen Text unten auf der letzten Seite beschrieben werden. Die Doppelseite „Klima auf dem Teller“ stellt den Beitrag der Branche zum Klimawandel dar. Dabei wird insbesondere auf die Tierhaltung (Kühe/Rinder) eingegangen und erläutert in welcher Form diese zur globalen Erderwärmung beitragen. In diesem Kontext wird auch Kritik am Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten transportiert. Die letzte zu betrachtende Seite fokussiert auf die konventionelle Tierhaltung und legt die einzelnen Aspekte der Haltung, der Verwertung des Tieres und die Aufteilung eines Stalls an verschiedenen Nutztierarten dar. Die Seite ist gespickt mit Texten, Bildern und einer schematischen Skizze eines modernen Kuhstalls, aus der Informationen zur Haltung der Tiere gewonnen werden können.
Reflexion
Die Analyse der Seiten hat bereits anschaulich aufgezeigt, dass das Kinder- und Jugendbuch vielfältige Einblicke in die Produktion, Verarbeitung und den Konsum von Lebensmitteln gibt. Es stellt eine bunte, vielseitige und reichhaltige Mischung von Informationen zusammen, die für die ausgewiesene Zielgruppe von großem Interesse sein dürften. Daher ist das Buch als vielseitig und adressat:innengerecht zu bewerten, was vor allem die jüngere Leser:innenschaft anspricht. Dennoch muss gesagt werden, dass durch die Vielseitigkeit auch eine gewisse Struktur, die den:die Lernende:n an die Hand nimmt, fehlt. Die verschiedenen Teilaspekte werden teilweise zusammenhangslos nebeneinander gestellt, was eine stringente Durchdringung der Inhalte insbesonders für Lerner:innen ohne Vorwissen erschwert. Wünschenswert wäre daher eine klare thematische Struktur der Kapitel. Diese könnte beispielsweise so aussehen, dass zunächst die einzelnen Nutztiere nacheinander vorgestellt werden und dann auf die Produkte der Tiere chronologisch eingegangen würde. Auf diese Weise würde es den Lerner:innen besser gelingen, die Inhalte zu durchdringen und ihr erworbenes Wissen zu vernetzen. Auffällig ist auch, dass alle Themen auf einer Doppelseite abgehandelt werden. Einige Themen eignen sich dafür gut, für andere greift diese Struktur jedoch etwas kurz: Die Aussagen werden gedrängt und stark verkürzt wiedergegeben, sodass die Leser:innen eine verzerrte Darstellung auffinden. Die Schaubilder, Zeichnungen und Grafiken sowie die Arbeit mit verschiedenen Schriftarten (die sich in Grenzen hält) sind motivierend und holen die Lernenden aus ihrer Lebenswelt ab. Teilweise ist jedoch zu sagen, dass die Doppelseiten etwas textlastig sind – wie beispielsweise die Seiten zur Tierhaltung und Verwertung der Nutztiere. Hier könnte noch etwas abwechslungsreicher gearbeitet werden.
Die Doppelseite zum Thema „Öko-Bauer oder Manager?“ ist bunt und für Kinder ansprechend gestaltet. Dennoch fällt auch hier schnell ins Auge, dass die Leser:innen inhaltlich nicht an die Hand genommen werden. Wichtige Aspekte, wie die unterschiedlichen Arten von Betrieben werden zwar vorweggestellt, die Unterscheidung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft wird jedoch ans Ende gestellt. Diese Informationen sollten an erster Stelle stehen bevor Flächengrößen, lokale Besonderheiten oder Größenordnungen angesprochen werden. Die Informationen, die in den Texten gegeben werden, sind auf den ersten Blick gut und richtig. Insgesamt ist jedoch kritisch zu sehen, dass sie in Teilen pauschalisierend insbesondere beim Vergleich der beiden Bewirtschaftungsformen sind. Sie führen zu einem diametralen Denken und zu verzerrten Schüler:innenwahrnehmungen. Die Gegenüberstellung beider Formen sollte inhaltlich stichhaltiger aufbereitet werden: die Vergleichsaspekte sollten besser ausgewählt, Begriffe wie Mineraldünger, Biofutter und genverändertes Futter sollten erläutert und die begleitenden Illustrationen neutraler angelegt werden.
Die zweite zu betrachtende Doppelseite „Klima auf dem Teller“ zeigt ein ähnliches Bild: Sie ist ansprechend aufbereitet, inhaltlich greift sie jedoch ebenfalls etwas kurz und neigt in den Texten zu Pauschalisierungen. Gut gelungen ist die Einbettung von anderen Darstellungen wie Tabellen und Diagrammen, deren Aussage zumeist vorgegeben wird. So werden Lernende unterstützt, die noch nicht in der Lage sind, diese selbstständig auszuwerten. Wünschenswert wären jedoch insgesamt Quellenverweise, die erkennen lassen, woher die Daten stammen.
Die letzte Doppelseite „Die Masse macht es nicht“ fokussiert auf die konventionelle Tierhaltung und die damit einhergehende Diskussion um das Tierwohl. Dabei werden verschiedene Nutztierarten miteinander verglichen, was für Kinder schwierig ist. Besser wäre, sich an einem Beispiel entlang zu hangeln und dann kurz in einem Absatz auf etwaige Unterschiede zu sprechen zu kommen. Auch hier wird mit schwierigen Begriffen wie Lebensmittelskandale, Ganztierverwertung oder inklusive Wurst gearbeitet, die erklärt werden sollten. Die Texte sind zudem sehr lang und nehmen mehr als die Hälfte einer Seite ein, was die Lernenden demotivieren dürfte. Kritisch zu bewerten ist ferner der Text „Ich wollt´ ich wär` ein Biohuhn“, dessen Aussagen fachlich falsch und verkürzt wiedergegeben werden. Auch andere Formen der Hühnerhaltung ermöglichen das Sitzen auf der Stange, das Scharren im Sand, das Schlafen oder den Auslauf im Freien. Zudem findet sich auf der Seite die Aussage, dass Anbindehaltung noch 25% bei der Rinderzucht ausmacht. Diese Angabe fällt zu hoch aus: Anbindehaltung ist nur noch in alten Ställen oder als Kulturgut auf Almen zulässig.
Abschließend bleibt zu sagen, dass das Kinder- und Jugendbuch für die ausgewiesene Zielgruppe interessante und bunte Seiten zur Verfügung stellt, auf denen die jungen Leser:innen viel entdecken können. Kritisch zu bewerten ist jedoch die schwierige Struktur des Buches, dass den:die Leser:in beim Wissenserwerb nur marginal an die Hand nimmt. Das wird besonders auf den Seiten zur Landwirtschaft deutlich. Darin wird eine Vielzahl von Informationen gegeben, die pauschalisierend sind und kaum miteinander vernetzt werden. So könnten Fehlvorstellungen bei den Lerner:innen entstehen, die schwierig umzukehren sind. Ein Einsatz im Unterricht muss daher von der Lehrkraft begleitet werden.
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