Erfahrungsfeld Bauernhof – Führungen auf Bauernhöfen vom Erlebnis zur Erfahrung
Das Handbuch „Erfahrungsfeld Bauernhof – Führungen auf Bauernhöfen vom Erlebnis zur Erfahrung“ ist 2014 im Books-on-Demand-Verlag in Norderstedt erschienen. Es fokussiert auf das Lernen durch Erfahrungen und will eine Methode vermitteln, die aufzeigt wie Bauernhofpädagog:innen mit Fragen der Gäste umgehen können, um eine intensive Begegnung zwischen dem Hof und seinen Besucher:innen zu ermöglichen. Dabei versteht es sich als Handbuch zum Abstecken von Erfahrungsfeldern, Themenschwerpunkten und stellt konkrete Übungen für Sinnesschulungen vor. Das Buch verspricht durch die Kombination neuer und alter Methoden eine Erweiterung der gängigen pädagogischen Arbeitspraxis auf dem Bauernhof. Als solches empfiehlt es sich für Personal auf Schulbauernhöfen, Bauernhofpädagog:innen und interessierte Personen, die Besucher:innen jeden Alters auf landwirtschaftliche Betriebe führen. Neben dem Buch gibt es einen Podcast zu hören, bei dem Projekte und Arbeiten sowie bekannte Konzepte vorgestellt werden.
Lernziele und Kompetenzen
Die Bauernhofpädagogik hat zum Ziel, Primärerfahrungen mit Tieren und Pflanzen sowie den direkten Bezug zur Landwirtschaft anzuleiten und zu inszenieren. Bauernhöfe sind optimale Lern- und Erlebnisorte für Kinder und Jugendliche, da sie handlungsorientiertes Lernen mit allen Sinnen ermöglichen. Im Buch wird die Methode der „Gesprächslandkarte 8x8“ vorgestellt, die sich in bestehende Angebote eingliedern und integrieren lässt. Sie bietet einen innovativen und eher philosophisch angelegten Zugang, bei dem die Wahrnehmungen und Fragen der Gäste eine besondere Aufmerksamkeit bekommen. Das Modell weist eine mehrfache Polarität auf, bei der Vergangenheit und Zukunft in der Frage, die gestellt wird, aufeinandertreffen. Die persönliche Meinung und Zielsetzung des Gastes werden in der Frage mit den Wahrnehmungen vor Ort und den Fakten, die er:sie zu wissen meint, transportiert und an den:die Pädagog:in vor Ort herangetragen. Er:sie kann somit als zentrales Schlüsselelement bei der Methode gesehen werden und die möglichen Wege für Wahrnehmung und Faktenwissen in der Zukunft aktiv steuern. Durch gezieltes Nachfragen seitens des:der Pädagog:in wird der Kompetenzerwerb im jeweiligen Setting gelenkt. Auch eine Persönlichkeitsentwicklung soll auf diese Weise stattfinden.
Das Lehrbuch gibt Ideen zum Durchführen der Methode und zeigt Übungen auf, die das Aktivieren der Sinne anregen. Auf diese Weise kann es als Handbuch dienen, um Methoden bei Betriebsführungen zu optimieren.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Buch kommt in einem Softcovereinband im Taschenbuchformat daher. Nach der Titelseite folgt das Inhaltsverzeichnis, in dem die Kapitel und Unterkapitel aufgereiht sind. Inhaltlich beginnt es mit einem Vorwort, in dem die Grundidee des Buches sowie der Umgang mit ihm erläutert werden. Das erste Hauptkapitel setzt sich mit der Frage auseinander, was unter dem Erfahrungsfeld Bauernhof eigentlich zu verstehen ist. Es werden die Grundideen dargelegt und Themenfelder abgesteckt, die beim Lernen auf dem Bauernhof von besonderer Relevanz sind. Ferner werden die Ziele und die Wege zur Zielerreichung skizziert, dabei wird sowohl auf die Ausbildung, die Erwachsenenbildung als auch auf die Netzwerkbildung eingegangen. Das Ziel der Persönlichkeitsentwicklung, bei der die Art des Fragens eine besondere Rolle spielt aber auch die persönliche Wahrnehmung mit eigenen Sinnen stehen dabei im Vordergrund. Die Sinne, deren Wechselwirkungen, die Gestik und Mimik bei der Vermittlung aber auch die pädagogischen Aspekte werden im Anschluss beleuchtet. Diese Kapitel dienen dazu, die Lesenden aus ihrer Lebenswelt abzuholen und eine Art Grundlage für die Thematisierung der Methode „Gesprächslandkarte 8x8“ zu legen. Im folgenden Kapitel wird diese als Art Dialoghilfe für das Lernen aus Erfahrungen vorgestellt. Sie markiert das Herzstück des Buches. Mit Hilfe des deduktiven Vorgehens werden die einzelnen Elemente des Modells (Wahrnehmung, Meinung, Vision, Wege) dargelegt und die Bedeutung des Fragenstellens aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt dann der Blick in die Praxis, bei dem die einzelnen Elemente in der praktischen Umsetzung erläutert werden. Zudem wird ein praktischer Aufbau einer Führung beschrieben, Anregungen zur Entwicklung von Übungen gegeben und konkrete Beispiele zur Gestaltung aufgezeigt. Das Lehrwerk schließt mit einem Ausblick und Dank, einer Kurzvorstellung der Autor:innen sowie dem Übungs- und Quellenverzeichnis.
Reflexion
Das Buch ist insgesamt praxisnah und anschaulich aufgebaut. Es besticht durch seine Strukturierung sowie den direkten Aufforderungscharakter, der insbesondere durch die Übungsvorschläge und Praxiseinblicke gebracht wird. Zudem bietet es einen direkten Anwendungs- und Lebensweltbezug für die angesprochene Zielgruppe.
Die Texte sind einfach geschrieben, sodass sie leicht und gut verständlich sind. Immer wieder wird mit sogenannten Checkboxen gearbeitet, sodass Anregungen für die Praxis direkt ins Auge springen. Gut gelungen sind zudem die Absätze im Text, die passend gewählt sind und die Gedankengänge sowie den Lesefluss nicht unterbrechen. Auch die Arbeit mit Aufzählungszeichen ist angenehm und lockert das Gesamtbild der Seiten auf. Durch Zwischenüberschriften wird eine gewisse Struktur hergestellt, wenngleich die Nummerierung der Kapitel fehlt. Für eine optimierte Arbeit mit dem Buch wäre das jedoch sehr sinnvoll. Eingeschoben werden praktische Beispiele und kleine Übungen, mit denen der bereits beschriebene Aufforderungs-, Handlungs- und Durchführungscharakter erzeugt wird. Besonders deutlich wird das bei der Vorstellung der Gesprächslandkarte: Das Modell wird anschaulich in einer schematischen Skizze dargestellt, die einprägsam ist. Die Lesenden können so direkt damit arbeiten. Die Bilder im Buch sind zielführend und gewinnbringend eingesetzt. Sie dienen dem Kompetenzerwerb und erleichtern den Zugang für die Lesenden. In der Praxis kann der Ansatz in der Bauernhofpädagogik ergänzend zu etablierten handlungsorientierten Vorgehensweisen einen Beitrag zur Weiterentwicklung leisten. Denn die reflexive Ebene, welche die Autor:innen ansprechen, sollte Bauernhofbesuche begleiten. Mit der „Gesprächslandkarte 8x8“ erhalten Pädagog:innen und Durchführenden ein Konzept, wie die Einstellungen, Vorerfahrungen und das Mindset der Gäste aufgegriffen werden kann. Eine Weiterentwicklung der Bauernhofpädagogik um diese transformative Ebene ist erforderlich und sehr zu begrüßen. Aus unserer Sicht ist die Methode jedoch kein für sich stehender Ansatz zur Gestaltung von Hoferkundungen für Kinder und Jugendliche im Schulkontext. Hoferkundungen mit Schüler:innen müssen die Handlungsorientierung und die Begegnungsmöglichkeiten mit den originalen Gegenständen in den Fokus rücken. Dabei ist eine feste didaktisch-methodische Strukturierung der Erkundungen, z.B. in Form eines Stationenlernens oder Projektarbeit, unumgänglich. Gleiches gilt für die schulische Vor- und Nachbereitung, die in ihrer positiven Wirkung mehrfach empirisch belegt sind (vgl. z.B. Schockemöhle 2009). Außerdem bietet der rein philosophische Zugang Schwierigkeiten beim Einsatz für die Zielgruppe. Insbesondere für Schulklassen sind Methoden erforderlich, die die ganze Kohorte aktiveren und einbeziehen. Hier bräuchte es eine Weiterentwicklung. Zudem sollten Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie diese erfolgen können.
Resümierend ist zu sagen, dass das Buch einen spannenden und innovativen Zugang für die Arbeit mit Gästen auf Bauernhöfen ermöglicht. Das Konzept ist gut erläutert und wird mit vielen Praxiselementen verknüpft eingeführt, sodass Interessierte sich gut darin einarbeiten können. Wünschenswert wäre mehr Struktur, die durch eine Nummerierung der Kapitel bereits gegeben werden könnte. Der vorgestellte Ansatz kann den Anspruch einer transformativen Bildung fördern, indem die reflexive Ebene in der Bauernhofpädagogik gestärkt wird. Für Kinder- und Jugendgruppen in schulischen Lehr-Lern-Settings erscheint er nur ergänzend zu bisherigen Vorgehensweisen geeignet.Details Eintrag
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