Gesellschaft bewusst 5
Das vorliegende Lehrwerk „Gesellschaft bewusst“ für die Klasse 5 in Mecklenburg-Vorpommern ist 2022 in der ersten Auflage beim Westermann-Verlag erschienen. Es ist für den Unterricht im Integrationsfach Gesellschaftslehre, das die Fächer Geographie, Politik und Geschichte vereint, ausgerichtet und für die Klasse 5 der Schulformen Regionale Schule und Integrierten Gesamtschule ausgelegt. Zum Medienverbund zählt neben dem Buch für die Lernenden ein Arbeitsheft und ein digitaler Unterrichtsassistent, der Lehrkräfte unterstützt, das Angebot des Schulbuches in den digitalen Unterricht zu integrieren. So erlaubt es beispielsweise die Nutzung der Seiten auf digitalen Endgeräten oder bietet zusätzliche digitale Anwendungen, veränderbare Kopiervorlagen oder Materialien an. Aus der Perspektive der Landwirtschaft ist besonders das Kapitel drei: „Arbeit, Produktion und Verteilung“ interessant.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung der Seiten des Lehrwerkes können die Schüler:innen umfangreiche Kompetenzen erwerben, die sich im Rahmenlehrplan des Faches Gesellschaftslehre der Klasse 5/6 für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern finden lassen. Zum Unterrichtsinhalt „Arbeit, Produktion und Verteilung“ ist zunächst das Thema „Veränderungen der Landwirtschaft in Deutschland mit Schwerpunkt Mecklenburg-Vorpommern“ festgelegt. Darunter findet sich ein Aspekt, der sich mit der Nutzung der einzelnen Landschaften der Glazialen Serie auseinandersetzt. Das Buch setzt diese Forderungen auf einer Doppelseite um, auf der die Bedeutung von Löss als wichtiges bodenbildendes Substrat für die landwirtschaftliche Nutzung erläutert wird. Am Beispiel des Zuckerrüben-, Weizen- und Gemüseanbaus werden die unterschiedlichen Standortanforderungen der Feldfrüchte verdeutlicht. Zudem wird der Zuckerrübenanbau und die Herstellung von Zucker thematisiert. Eine weitere Doppelseite befasst sich mit der Nutzung weniger fruchtbarer Standorte und leitet zur Auswertung einer Bodennutzungskarte an. Auch der Strukturwandel als tiefgreifender Prozess wird für die Landwirtschaft gemäß der curricularen Vorgaben exemplarisch dargelegt. Zentrale Begriffe werden erläutert und beispielhaft übertragen. Zentral ist weiterhin die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Formen der Landwirtschaft, die auch beurteilt werden sollen. Hierzu nimmt das Buch eine Unterscheidung zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft vor und zeigt zentrale Charakteristika auf. Zudem ist die Erkundung eines landwirtschaftlichen Betriebes vorgesehen.
Neben fachlichen Kompetenzen legt das Buch auch einen Fokus auf Methodenkompetenz, die auf speziellen Methoden- und/oder Projektseiten gefördert wird. Die Schüler:innen haben hier die Möglichkeit, ein vorgegebenes Medium zu analysieren oder ein themengebundenes Projekt individuell umzusetzen.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch verfügt über einen Hardcovereinband und besitzt ein DIN-A4-Format. Im vorderen Einband findet sich eine politische Weltkarte; im hinteren Einband ist eine physische Weltkarte zu sehen. An die Titelseite schließt sich das Impressum an, bevor Hinweise zum Arbeiten mit dem Buch gegeben werden. Dabei werden die unterschiedlichen Arten der Seiten sowie ihr spezifischer Charakter dargelegt. Es gibt sogenannte „Topic“-Seiten, auch Auftaktseiten genannt, die das Interesse am Thema wecken sollen und erste Fragestellungen zur Auseinandersetzung anbieten. Darauf folgt eine „Zum Einstieg“-Seite, die weitere Leitfragen aufwerfen soll und gezielt Impulse für die Einführungsphase gibt. Sie dient als Rahmen zur letzten Seite, auf der diese Leitfragen wieder aufgegriffen und beantwortet werden. Es folgen die „Arbeitsseiten“, die sich den Inhalten zuwenden und mit unterschiedlichen Materialien wie Texten, Bildern, Grafiken und Aufgaben gespickt sind. Die „Methodenseiten“ leiten zur Auswertung von Materialien an und zielen auf die Entwicklung von Methodenkompetenzen. Häufig finden sich dort auch Schrittfolgen, die immer wieder genutzt werden können. „Fokusseiten“ geben thematische Schwerpunkte vor und heben sich durch ihre grüne Farbgebung von den anderen orangegefärbten Seiten ab. „Projektseiten“ dienen der Erarbeitung eines bestimmten Projektes, bei dem die Lernenden individuell arbeiten können, z.B. Videos drehen, Ausstellungen planen oder Frühstücksbuffets organisieren können.
An diese Seite mit den Erläuterungen schließt sich das Inhaltsverzeichnis an, in dem sich alle fünf Kapitel wiederfinden. Diese besitzen alle einen unterschiedlichen Umfang. Das erste Kapitel ist allgemein gehalten und beschäftigt sich mit der Aufgabe des Faches Gesellschaftslehre, Sicherheitsaspekten und Fragestellungen der Mitbestimmung am Beispiel der Klassensprecher*innenwahl. Die übrigen Kapitel lehnen sich exakt an die vom Rahmenlehrplan vorgegebenen Themen an und beinhalten ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeits-, Methoden- und Projektseiten. Im Anhang finden sich ein Minilexikon, zusammengefasste Methodenerläuterungen, Lösungshinweise, ein Kartenteil mit Europa- und Deutschlandkarten sowie ein Bildquellenverzeichnis.
Reflexion
Die Analyse der Seiten hat gezeigt, dass diese einheitlich, übersichtlich und strukturiert aufgebaut sind. Zudem zeichnen sie sich durch ein kindgerechtes Layout und altersgemäße Darstellungen aus. Hardcovereinbände und das gewählte Format sowie die Darstellung auf dem Titelbild wirken interessant auf die Lernenden, wenngleich hier ein Bild mit einem entsprechenden thematisch-inhaltlichen Bezug und einer höheren Auflösung passender gewesen wäre.
Im betrachteten Kapitel „Arbeit, Produktion und Verarbeitung“ könnte bezüglich der Wahl der Kapitel- und Titelüberschriften noch etwas stärker an der Lebenswelt der Lernenden angeknüpft werden. Hilfreich sind dabei Formulierungen, die direkt Operationalisierungen, konkrete Fragestellungen oder Kompetenzen, die erlernt werden sollen, aufgreifen (z.B. „Wie werte ich eine thematische Karte aus?“ oder „Thematische Karten auswerten“). Diese Formulierungen tragen maßgeblich zur Transparenz des Vorhabens und zur Motivation der Schülerinnen und Schüler bei. Viele Seiten weisen ein ausgeglichenes Verhältnis der Materialien auf, was die Lernenden dazu anregt, sich mit dem vielfältigen Angebot auseinanderzusetzen und diese für die Beantwortung der Fragen zu nutzen. Einige Seiten, wie z.B. die Doppelseite zur Schweinemast, sind jedoch textlich eher überfrachtet, sodass die Motivation der Lernenden verloren geht. Die Seiten gestalten sich insgesamt jedoch übersichtlich: Die Texte sind gegliedert und wesentliche Fachbegriffe werden hervorgehoben, sodass sie direkt hervortreten. Zugleich werden unbekannte Begriffe zusätzlich erläutert mithilfe von Merkkästen, was Schülerinnen und Schüler nachweislich wertschätzen (vgl. LATHAN 2021). Für eine weitere Optimierung der Texte wäre die Arbeit mit Zwischenüberschriften hilfreich, um auch weniger geübte Lesende oder Kinder mit entsprechendem Förderbedarf abzuholen. Die Texte sind inhaltlich gut gelungen, sprachlich jedoch verbesserungswürdig. Sie enthalten viele unwesentliche Informationen und Füllwörter sowie Nebensätze, die das sinnentnehmende Lesen für die jungen Lernenden erschweren. Kürzere Sätze mit zielgerichteten Informationen wären wünschenswert, vor allem bei der Doppelseite zur intensiven Tierhaltung. Schwierig zu bewerten ist auch, dass auf diesen Seiten gezielt in sechs Sätzen vorgegeben wird, was eine artgerechte Tierhaltung ausmacht. Darauf aufbauend soll mithilfe eines Bildes einer konventionellen Schweinhaltung ausgemacht werden, ob diese artgerecht gehalten werden oder nicht. Viele der genannten Kriterien können allein deshalb nicht erreicht werden, weil die Tiere sich in einem Stall aufhalten und nicht draußen sind. Die Beurteilung, die im Rahmen von Aufgabe vier erfolgen soll, ist keine echte Beurteilung, die durch eine Diskussion in Kleingruppen o.ä. entsteht, sondern gezielt durch die Einseitigkeit der Materialien vorgegeben wird. Wichtig wäre hier eine größere Darstellung der Verhältnisse im Stall und eine Loslösung von gängigen Klischees der konventionellen Tierhaltung. Vielmehr sollte deutlich werden, wie unterschiedlich Betriebe wirtschaften und welche Aspekte dabei im Vordergrund stehen: Z.B. Wirtschaftlichkeit, Konsumverhalten der Kundschaft etc. Beispiele, bei denen nachhaltige und innovative Wege der Landwirtschaft (z.B. Blühstreifen, Biodiversitätsstrategien oder Offenstallbetriebe) dargestellt würden, wären für die Schüler*innenschaft im Sinne eines lösungsorientierten Zuganges sinnvoller (Hoffmann 2021). Zugleich würden solche Ausführungen stärker der Diversität der Betriebe gerecht. Affirmative und pauschalisierende Zuschreibungen wie in der Überschrift der Seite („Schweinemast: Wo bleibt das Tierwohl?“) sind dabei nicht zielführend. Auch ein Vergleich der konventionellen und ökologischen Produktion, wie sie auf der folgenden Seite in den Aufgaben gefordert wird führt ohne eine derartig reflektierte Herangehensweise nicht zu den gewünschten Ergebnissen sondern läuft eher auf pauschalisierende Verallgemeinerungen hinaus, die durch eine Internetrecherche noch gestützt werden.
Die Doppelseite zur Erkundung eines Bauernhofes ist abwechslungsreich aufgebaut. Es finden sich dort vor allem Bildvergleiche, das Vergleichen von Aussagen sowie die Methode des Interviews darin wieder, die für den Hofbesuch zur Erkenntnisgewinnung genutzt werden können. Allerdings findet sich auf der Seite viel Text, sodass die Schüler:innen unter Umständen demotiviert werden könnten. Wichtiger sollte bei einem außerschulischen Hofbesuch die aktive Partizipation und Handlungsorientierung sein, bei der die Kinder selbst aktiv werden und vielleicht die Möglichkeit erhalten, eine Kuh zu melken oder zu scheren, eine Futterration für ein Schwein zusammenstellen oder Eier vom Nest eines Huhns abzulesen. Diese Erlebnisse werden nachhaltig erinnert und tragen dazu bei, dass Verhalten angepasst wird, z.B. beim Konsum von Fleisch, Eiern oder anderen tierischen Produkten.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Lehrwerk sich gut eignet, um landwirtschaftliche Inhalte in den Unterricht zu bringen. Es sollte jedoch besonderer Wert auf die Veranschaulichung von Lösungen gelegt werden, in dem zum Beispiel Offenstallhaltung bei der Schweinemast oder Freilandhaltung bei der Rinderzucht auch unter konventionellen Produktionsrichtlinien aufgegriffen wird. Zugleich sollten die Aufgaben kritisch bewertet werden, da sie der Heterogenität aktueller Schüler:innenschaft nicht gerecht werden. Differenzierungs-maßnahmen sollten zwingend ausgewiesen werden. Auch über Formate des transformativen Lernens und des lösungsorientierten Unterrichts mit Blick auf Nachhaltigkeit sollten bei einem unterrichtlichen Einsatz stärker berücksichtigt werden.
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