Rebellen der Erde. Wie wir den Boden retten und damit uns selbst!
Das vorliegende Werk „Rebellen der Erde. Wie wir den Boden retten und damit uns selbst!“ ist 2023 erstmalig im Scorpio-Verlag erschienen. Es porträtiert die Geschichte des Jungunternehmers Benedikt Bösel, dem Erben eines brandenburgischen Gutes, welches er in den letzten Jahren zu einem nachhaltigen Produktionsstandort umstrukturiert hat. Neben der Forschung zu spezifischen Landnutzungssystemen wie Agroforst, Solawi (Solidarische Landwirtschaft) oder extensiver Weidewirtschaft wird in Zusammenarbeit mit führenden Forschungsinstituten wie dem Julius-Kühn-Institut ein digitales Flächenmonitoring etabliert, mit dem Bodenqualitäten, Erträge und Bestände observiert werden. In Auszügen berichtet der Autor in seinem Werk über diese Konzepte und beleuchtet die Entstehungs- und Transformationsgeschichte des Gutes Alt Madlitz. Aus diesem Grund ist es für pädagogische Mitarbeitende und Lehrkräfte spannend einen Blick in das Buch zu werfen und die Konzepte einer nachhaltigen Landnutzung zu verstehen. Gleichzeitig finden sich darin Perspektiven für Hoferkundungen und die Umstrukturierung von landwirtschaftlichen Betrieben, die sich in diese Richtung „auf den Weg machen“ möchten. Diese Rezension betrachtet daher primär die im Buch spezifizierten Gedankengänge zu den einzelnen Landnutzungskonzepten, von denen die Solawi, der Agroforst und die extensive Weidewirtschaft für die schulische Praxis von besonderer Bedeutung sind.
Lernziele und Kompetenzen
Mithilfe der im Buch vorgestellten Ansätze können die Schüler:innen vielfältige Kompetenzen rund um das Thema nachhaltige Landnutzung erwerben. Dies ist zentraler Bestandteil vieler Curricula. So finden sich Elemente z.B. im bayerischen Lehrplan der Klasse 9, in dem das Wirkungsgefüge zwischen Landwirtschaft und Umwelt sowie die Gefährdung der Lebensgrundlagen insbesondere des Bodens, Grundwassers und der Biodiversität als zentrale Themen ausgibt. In diesem Kontext ließen sich die Schwerpunkte Agroforstwirtschaft und extensive Weidehaltung, die im Buch herausgestellt werden, behandeln. So werden die Schritte beim Anlegen des Agroforsts ausführlich und bebildert dargelegt (S. 96-97). Ferner kommen die besonderen Herausforderungen dabei zur Sprache. Wichtige Schritte, wie die Veredelung oder das Aussortieren bestimmter, nicht geeigneter Sorten werden aufgezeigt. Auch weitere Literaturtipps zur Vertiefung werden gegeben. Die extensive Landwirtschaft wird mit schematischen Darstellungen und zusätzlichen Erläuterungen auf den Seiten 140 f. erklärt. Standortspezifische Voraussetzungen und die Rolle einzelner Gräser, Kräuter und Leguminosen sind zentrale Aspekte dieser Seiten. Die Solawi, mit der die soziale Komponente von Nachhaltigkeit in besonderem Maße intendiert wird, thematisiert das Buch ab Seite 172. Dieses Konzept dürfte vielen Schüler:innen bereits umfangreich bekannt sein. Anhand der Beispiele aus dem Buch lassen sich zahlreiche Unterrichtsmöglichkeiten aufspannen.
Aufbau und Analyse des Buches
Das Buch besitzt ein Taschenbuchformat, einen Hardcovereinband und wurde auf ökologisch zertifiziertem Papier gedruckt. Es verfügt über vier Kapitel, die sukzessive aufeinander aufbauen. Begonnen wird mit einem Vorwort von Maja Göpel, der Politökologin und Wissenschaftskommunikatorin der Universität Lüneburg. Sie führt aus, was das Buch besonders macht und zeigt die innovativen Ansätze in der Gesamtsicht auf. Kapitel eins „Wie alles begann“ zeichnet die Biographie des Autors nach, der vom Banker zum Bauern umschulte und sich den Boden in seiner Heimatregion (Ostbrandenburg), die massiv von den ausbleibenden Regenfällen infolge des Klimawandels betroffen ist, annimmt. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Produktion von Humus und die dazu notwendigen regenerativen Anbaumethoden. Im Fortgang bezieht er sich auf eingängige wissenschaftliche Theorien aus der regenerativen Landwirtschaft und zeigt einige Personen und deren Zugänge auf, an denen er sich beim Aufbau seines Standortes orientiert. Im dritten Kapitel „Wie wir arbeiten“ stellt er konkret die Konzepte vor, die auf dem Betrieb Alt Madlitz umgesetzt werden. Dabei geht es zunächst um Agroforst, Baumschulen, Kompostierung, extensive Weidewirtschaft, den Garten für Marktfrüchte und den Umbau des Waldes. Daran angelehnt, wird die Bedeutung der Regionalität und Saisonalität aufgezeigt. Das letzte inhaltliche Kapitel „Unsere Vision“ umfasst verschiedene Appelle an unterschiedliche Institutionen: Landwirtschaft, Politik, Wissenschaft und Unternehmer:innen sowie Finanzierende. Zugleich wird die Finck-Stiftung vorgestellt und ihre Einbettung in das Konzept des Betriebes dargelegt. Das Buch schließt mit einem Quellenverzeichnis und Danksagungen.
Die Seiten der Kapitel sind gefüllt mit Texten, Zeichnungen und Skizzen sowie Bildern und schematischen Darstellungen. Alle Elemente ergänzen sich und zeigen ein stimmiges Gesamtbild, das durch eine passende Haptik komplettiert wird.
Reflexion
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Buch ansprechend, modern und strukturiert aufgebaut ist. Es besticht durch seine hochwertige Haptik und die attraktiven Zeichnungen sowie die Bilder, die umfassend eingebaut wurden. Besonders gut gelungen ist der leichte Schreibstil, der erzählerisch aufgebaut und durch die teilweise umgangssprachlichen Beschreibungen leicht und angenehm lesbar ist. Phasenweise werden diese ergänzt um fachliche Ausführungen, die jedoch gut verständlich und durch die Schaubilder anschaulich aufbereitet werden.
Das Kapitel 3.1. zur Agroforstwirtschaft beschreibt die landwirtschaftliche Praktik, bei der Bäume zusammen mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen oder Vieh auf demselben Land angebaut oder gehalten werden anschaulich. In der Agroforstwirtschaft werden Bäume gezielt in landwirtschaftliche Flächen integriert, um ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Agroforstsysteme erfüllen zahlreiche Funktionen, die in dem Kapitel dargelegt werden: Erosionsschutz gegen Wind- und Wassererosion, Schutz von direkter Sonneneinstrahlung, Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit, Förderung der Biodiversität durch pflanzliche Vielfalt sowie die Diversität der Einkommensquellen, da viele Nutzpflanzen gleichzeitig auf einer Fläche kultiviert werden. Aus diesen Gründen wird Agroforstwirtschaft weltweit praktiziert und hat das Potenzial, die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu verbessern, indem sie Umweltprobleme angeht und gleichzeitig landwirtschaftliche Erträge und Lebensgrundlagen der Menschen sichert. Die dazugehörige Bebilderung ist hochwertig angelegt und illustriert die Sachverhalte passend, sodass die Vorstellungskraft angeregt wird.
Im Kapitel 3.4. „Die rotierende Rinderherde“ beschreibt die praktizierte extensive Rinderhaltung auf dem Gut Madlitz in Brandenburg. Die extensive Rinderhaltung ist eine Form der Tierhaltung, bei der Rinder auf weitläufigen Flächen mit viel Weideland gehalten werden. Im Gegensatz zur intensiven Rinderhaltung, bei der Rinder in geschlossenen Ställen gehalten und i.d.R. mit extern produziertem Futter gefüttert werden, haben Rinder in der extensiven Rinderhaltung Zugang zu natürlichen Weidegründen. Damit ist diese Tierhaltung gut an den Standort im Osten Brandenburgs angepasst. Kennzeichnend sind ferner eine geringe Viehbesatzdichte, die Fütterung mit bestehendem Grasbestand und natürlichen Ressourcen wie Silage, der große Auslauf der Rinder (artgerecht) sowie der seltene Einsatz von technischen Geräten oder Smart-Farming-Elementen. Die Vorteile und standortgerechte Nutzung des Geländes werden durch die Bilder angemessen dargestellt und veranschaulicht.
Kapitel 3.6. „Vom Acker zum Teller“ bringt die Aspekte der Saisonalität und Regionalität zur Sprache. Vor allem die Vorteile werden aufgezeigt: Neben der Frische und Qualität rücken insbesondere die Umweltfreundlichkeit und die Unterstützung der lokalen Wirtschaftsunternehmen in den Vordergrund, die den Aspekt der Nachhaltigkeit akzentuieren. Die Förderung einer nachhaltigeren Ernährungsweise hat positive Auswirkungen auf die Umwelt, die lokale Wirtschaft und die eigene Gesundheit. Neben Tipps und Tricks zur Verarbeitung der Lebensmittel werden Rezeptideen geteilt und Impulse für den Anbau standortgerechter Früchte gegeben. Auch die Solawi spielt dabei eine Rolle.
Diese Ansätze lassen sich gut im Unterricht einbringen. Neben den Konzepten die vorgestellt und erläutert werden, sind die Bilder außerordentlich hilfreich, um sie zu verstehen und sie auch selbst anwenden zu können. Die curricularen Bezüge erlauben eine umfassende Thematisierung im Fach Geographie. Auch im fachübergreifenden Unterricht mit der Biologie oder Hauswirtschaft ließen sich die Inhalte aufgreifen. Nicht zuletzt ist die Erkundung dieses oder eines ähnlichen regionalen Betriebes, bei der die Lernenden die Sachverhalte direkt erfahren können und zusätzliche Erklärungen des/der Landwirt:in in Anspruch nehmen können, empfehlenswert. Das Gut Alt Madlitz bietet Hofführungen auf der Webseite an.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Buch tolle und vielfältige Ansätze zusammenbringt, die eine nachhaltige Aufstellung eines landwirtschaftlichen Betriebes gegenüber den aktuellen Herausforderungen ermöglichen. Dazu zählen im Besonderen die Agroforstwirtschaft, die extensive Weidehaltung von Rindern oder die Solawi. Kritische oder misslungene Implementierungsversuche könnten noch etwas stärker thematisiert werden, auch daran können Schüler:innen Erfahrungen sammeln. Nichtsdestoweniger bietet das Buch hervorragende Ansätze für den Unterricht, die nicht zuletzt auch in die Erkundung eines solchen Betriebes gipfeln sollten.
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