Kreativ Ernährung entdecken
Das Lehrwerk „Kreativ Ernährung entdecken“ ist 2018 in der vierten Auflage im Europa-Verlag erschienen. Es eignet sich für einen Unterricht im Fach Hauswirtschaft oder Ernährung in der Klassenstufe 9/10 der Sekundarstufe I. Darüber hinaus kann es auch im Gymnasium im Fach Ernährungslehre oder in der berufsbildenden Schule für die Ausbildung zur Hauswirtschafter/in[1]eingesetzt werden. Neben dem analogen Schulbuch ist auch ein E-Book verfügbar, für das eine Dauer- oder Einzellizenz erworben werden kann. Auf diese Weise kann es auch auf mobilen Endgeräten genutzt werden. Das Thema Landwirtschaft und damit die Urproduktion der Lebensmittel findet besonders im Kapitel vier Berücksichtigung. Dort geht es um Eiweiße tierischer Herkunft als Nährstoffe und damit in Teilen um die Nutztierhaltung.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schüler erhalten mit der Bearbeitung der im Lehrwerk enthaltenen Themen die Möglichkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die sich in vielen Curricula wiederfinden. So lernen sie beispielsweise auf einer Seite den Aufbau eines Hühnereis sowie die Funktionen der einzelnen Bestandteile kennen. Auch die Kennzeichnung von Eiern mit dem Erzeugercode und die verschiedenen Gewichtsklassen sind Gegenstand der Betrachtung im Lehrwerk. Darauf aufbauend werden die unterschiedlichen Geflügelarten dargestellt und Kriterien für den Handel mit Geflügelfleisch aufgezeigt. Einen weiteren Aspekt markiert die Auseinandersetzung mit Fleisch von Rind und Schwein. Hierbei werden ebenfalls die verschiedenen Arten von Fleisch beziehungsweise die Teilstücke des Schweins und Rinds erläutert.
Zu den fachlichen Lerninhalten gesellen sich Seiten mit methodischen Schwerpunkten. Hier können die Lernenden Kompetenzen erwerben, vor allem mithilfe von handlungsorientierten Unterrichtsvorhaben und praktischen Anleitungen. So wird ihnen beispielsweise ein kleiner Auffrischungskurs im Erstellen von Kurzreferaten und Präsentationen gegeben oder Versuche mit bestimmten Lebensmitteln wie der Kartoffel vorgeschlagen, um deren Eigenschaften besser verstehen zu können.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch verfügt über einen weichen Einband und verweist im Einschlag auf weitere Produkte aus der Reihe. Nach der Titelseite findet sich ein kurzes Vorwort der Autorin sowie das Impressum. Danach schließt sich das Inhaltsverzeichnis an, dass die neun Kapitel samt ihrer Unterkapitel zeigt. Im Inhaltsverzeichnis wird der Anhang ausgewiesen sowie alle Projektseiten auf einen Blick zusammengestellt. Direkt an das Verzeichnis schließt sich ein dreiseitiger Leitfaden an, der die Konzeption des Lehrwerkes erläutert.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Auftaktseite, die ein Mindmap zeigt. Dies soll die Lernenden dabei unterstützen, einen schnellen Überblick über die Themenstellung zu bekommen. Die Themenseiten kombinieren viele Materialien miteinander: Texte, Bilder, Grafiken, Merkkästen und Aufgaben. Die Merkkästen (mit „Finger-Icon“) sind orange unterlegt und fassen alles Wichtige kurz zusammen. Die Informationen, die zusätzlich hineingegeben werden, sind in einem gelben Kasten eingerahmt und werden durch ein „Aha“ und ein Ausrufezeichen symbolisiert. Die Aufgaben befinden sich in einem grünen Kästchen und sind mit einem Fragzeichen versehen. Zusätzlich in blau unterlegt werden unterschiedliche Lernsituationen hereingegeben. Dies sind meist konkrete Situationen oder Szenarien, an denen die Schüler in Gruppen üben können. Rätsel- und Ratespiele sowie die am Ende jedes Kapitels zu findenden Überprüfungsseiten arbeiten mit einer violetten Farbe und einem Symbol, das einen nachdenkenden Kopf zeigt. Zusätzlich zu diesen Materialien auf den Seiten erscheint gelegentlich eine Hand, die ein Handy hält. Dies zeigt an, dass es zu dem jeweiligen Thema ein Lernvideo gibt, das unter Eingabe des Codes im Einband abgerufen werden kann.
Neben den Themenseiten gibt es Versuchs-Seiten. Diese sind blau unterlegt. Es werden darin kleine Alltagsexperimente mit entsprechender Bebilderung gezeigt sowie eine Anleitung zur Durchführung gegeben. Die Methodenseiten sind violett unterlegt. Wie oben bereits deutlich geworden ist, leiten sie zur Durchführung von handlungsorientierten Lernvorhaben an.
Im Anhang des Schulbuches finden sich eine Nährwerttabelle, Lösungen zu den Quizzen und Rätseln, das Sachwortverzeichnis sowie das Bildquellenverzeichnis.
Im zweiten Hauptkapitel und vierten Unterkapitel wird das Thema Eiweiße (Proteine) detailliert beleuchtet. Unter dem Punkt 4.10 werden proteinhaltige Lebensmittel betrachtet. Dazu wird zunächst auf Milch und Milchprodukte, insbesondere auf Käse, eingegangen. Im Weiteren kommen Eier und Geflügel sowie Fleisch und Fisch zur Sprache. Auch der Fisch als Proteinquelle wird untersucht. Die folgende Reflexion bezieht sich primär auf dieses Kapitel.
Reflexion
In der Beschreibung des Lehrwerks ist bereits deutlich geworden, dass es einen strukturierten Aufbau und ein motivierendes Layout verfolgt und dazu unterschiedliche Gestaltungselemente einbringt. Darin liegt gleichzeitig die Schwäche des Lehrwerks. Durch die vielen Farben wirken die Seiten teilweise unübersichtlich und überladen. Auch die Lernmotivation, die dadurch gefördert werden soll, gelingt so nur eingeschränkt. Das gewählte bunte Design erscheint für Schüler der Ziel- und Altersgruppe eher wenig geeignet, da sie nicht altersgerecht sind und von der Zielstellung ablenken.
Die Texte sind kurz, übersichtlich und gut gegliedert. Durch zusätzliche Hervorhebungen können schwächere Leser unterstützt und wichtigen Aussagen eine größere Aufmerksamkeit beigemessen werden. Teilweise sind jedoch so viele Begriffe im Text markiert, dass es etwas unübersichtlich wirkt. Die Sprache in den Texten ist altersadäquat und passt sich dem Niveau der Leserschaft an. Die Merkkästen fassen die Aussagen der Texte zusammen. Sie sind sogenannte Ergebnistexte, die in modernen Lehrwerken kaum noch zu finden sind, da sie die Lerninhalte abschließend darstellen und die Lernenden auf diese Weise dazu verleiten, sie einfach nur auswendig zu lernen. Sie dienen daher nur zum Teil dazu, die gewonnenen Erkenntnisse zu vernetzen. Die Bilder sind, wenngleich sie in übergroßer Zahl auftreten, in den meisten Fällen zielführend. In einigen Fällen entsteht der Eindruck, dass die Bilder als Platzhalter dienen. Dies sollte jedoch zugunsten einer besseren Vernetzung der Informationen zurücktreten (vgl. Ballstaedt 1997). Die Schaubilder sind sehr übersichtlich und ihre Textbestandteile von angemessener Größe. Weiterhin finden sich Erläuterungen, die den Kompetenzerwerb unterstützen. Auch die Tabellen liefern interessante Aspekte, die sich gut mit den Informationen aus den anderen Materialien ergänzen. Die Aufgaben sind angemessen gegliedert und lassen sich überwiegend mit den gegebenen Materialien beantworten. Wünschenswert wäre, dass verstärkt mit operationalisierten Aufgaben gearbeitet würde, um den Arbeitsauftrag eindeutiger und den Lernerfolg der Schüler beobachtbar und nachweisbar zu machen.
Die Lernsituationen (umfangreichere Aufgabenstellungen), die im skizzierten Kapitel angeboten werden, sind nur bedingt kreativ und verlangen nach Antworten, die durch die Materialien im Buch nicht gegeben werden. Hier ist in der Regel eine zusätzliche Recherche im Internet erforderlich. Bei der Lernsituation, die sich mit der Fleischqualität von konventionellem und ökologisch produziertem Fleisch auseinandersetzt, sieht die Antwort eine kontrastierende Gegenüberstellung von beiden Produktionsformen vor, ohne vorher darauf eingegangen zu sein. Hier sollte umfangreicheres Informationsmaterial für die Lernenden zur Verfügung stehen oder eine Erkundung auf einen landwirtschaftlichen Betrieb intendiert werden, mit denen die eigene Meinungsbildung fundiert angeregt würde. Auf einer Seite werden Tierkrankheiten dargestelltt. Diese Krankheiten sind in Europa jedoch seit etwa zehn Jahren kaum noch verbreitet. Dabei wird auch ein unmittelbarer Bezug zur Fleischqualität hergestellt. Es entsteht der Eindruck, dass das Fleisch dieser erkrankten Tiere zum Verzehr angeboten wird. Das ist nicht der Fall. Nach der Schlachtung wird das Fleisch vom zuständigen Tierarzt des Schlachthofes gründlich untersucht und beprobt, bevor es in den Handel geht. Eine solche Darstellung könnte zu falschen Konklusionen führen.
Kritisch sind die zu Versuchen anleitenden Seiten. Durch die Bereitstellung von Bildern, die das Ergebnis des Versuches zeigen, werden die Lernenden gehindert, das Experiment selbst durchzuführen. Wünschenswert wäre es, diese Bilder wegzulassen und stattdessen auf eine genauere Anleitung des Vorgehens zu setzen. Es könnten beispielsweise Auszüge von Versuchsprotokollen dargestellt werden.
Erstrebenswert wäre außerdem ein stärkerer Bezug zum außerschulischen Lernen auf den Projektseiten. Besonders zur Landwirtschaft bieten sich viele Gelegenheiten wie beispielweise der Besuch eines Hofladens oder eines Wochenmarktes, eines Schlachthofes oder eines landwirtschaftlichen Betriebes. Auf diese Weise könnten die Lernenden ihr Wissen vertiefen und würden einen gänzlich anderen Zugang bekommen.
Insgesamt ist das Lehrwerk hinsichtlich der betrachteten Kapitel nur bedingt für den Einsatz im Unterricht empfehlenswert. Kritisch sind vor allem die überfüllt wirkenden Seiten und das wenig altersadäquate Layout, das die Lernenden verwirren könnte. Auch die Sonderseiten sind in diesem Kontext teilweise negativ aufgefallen. Verbesserungsbedarf gibt es auch auf den Seiten zur Landwirtschaft. Hier fehlen an einigen Stellen Zusammenhänge und das außerschulische Lernen sollte mehr in den Fokus rücken. Insgesamt sollte die Herkunft der Lebensmittel in der Ernährungslehre deutlich mehr Raum einnehmen.
[1]Im Weiteren findet zur Vereinfachung das generische Maskulinum Anwendung.
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