Tiere auf dem Bauernhof – Lesetraining
Das Heft „Tiere auf dem Bauernhof – Lesetraining“ ist 2011 im Stolz-Verlag erschienen. Es ist für die Grundschule ab der 2. Klasse geeignet und kann im Unterricht als Lese- und Arbeitsheft eingesetzt werden. Wenngleich sein ausgewiesenes Potenzial im Deutschunterricht liegt, bietet es Impulse für den Sachunterricht oder das Angebot des Nachmittagsunterrichts. Die Schülerinnen und Schüler[1] können sowohl im Frontalunterricht als auch selbstständig mit dem Heft arbeiten. Das Thema Landwirtschaft wird auf allen Seiten des Heftes angesprochen.
Lernziele und Kompetenzen
Auf den illustrierten Seiten können die Schüler im Grundschulalter neben dem Lesetraining viele Fähigkeiten und Kenntnisse zum Thema Landwirtschaft erwerben. Das Heft unterstützt sie beim Erwerb von Kompetenzen insbesondere im Fach Sachunterricht, wobei der Fokus auf dem Kompetenzbereich Natur liegt.
In den verschiedenen Kapiteln kann Wissen zu den unterschiedlichen Haltungsformen und –bedingungen von Nutztieren angebahnt werden. Der Kompetenzbereich „Natur“ des Faches Sachunterricht wird beispielsweise in den Kapiteln „Die Kuh gibt Milch“ oder „Familie Hausschwein“ thematisiert, da den Kindern die verschiedenen Bauerhoftiere mit ihren charakteristischen Eigenschaften, wie ihrem Aussehen oder der Zusammensetzung der Tierfamilie vorgestellt werden. Dies dient dem Erwerb der Kompetenz: „Die Schüler können typische Merkmale, grundlegende Verhaltensweisen und Lebensbedingungen von ausgewählten Tieren beschreiben“. Weiterhin wird in den Kapiteln Wissen über die von den Nutztieren stammenden Produkte angebahnt. Insgesamt wird deutlich, dass mit Hilfe des Heftes der Erwerb von unterschiedlichen Kompetenzen unterstützt wird.
Analyse
Aufbau der Kapitel
Das Heft setzt sich aus 14 Kapiteln zusammen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den Nutztieren Rind, Schwein und Pferd, da hierzu jeweils zwei Doppelseiten vorhanden sind. Die übrigen Doppelseiten thematisieren das Schaf, die Ziege, die Ente, die Gans, das Huhn, den Truthahn und das Kaninchen. Abschließend findet sich eine Doppelseite, auf der die Schüler das Gelernte selbstständig wiederholen und üben können. Außerdem enthält das Lehrwerk Minitexte für weitere Leseübungen, eine Fragenkartei, mit der das Verständnis der einzelnen Texte/Kapitel geprüft werden kann sowie Antworten zu den Fragen in den Kapiteln.
Einleitend in das Heft, findet sich eine kurze Einführung und Einleitung zum Lernen mit den vorliegenden Arbeitsmaterialien. Es folgt das Inhaltsverzeichnis, in dem die 14 Kapitel mit Anhang namentlich aufgeführt werden. Die ersten sechs Kapitel widmen sich den drei Nutztieren Rind, Schwein und Pferd. Beim Rind wird zunächst die gesamte Tierfamilie vorgestellt und die einzelnen Namen (Stier, Ochse oder Bulle) voneinander unterschieden. Die zweite Doppelseite fokussiert die Milchproduktion und das Wiederkäuen. Am Beispiel des Schweins werden übliche Redewendungen wie „das arme Schwein“ thematisiert sowie die Tierfamilie und die Produkte des Schweins angeführt. Es folgen die Seiten zum Pferd, auf denen die Nutzung als Last- und Arbeitstier, die unterschiedlichen Gangarten und die Tierfamilie im Vordergrund stehen.
Die Seiten zu den übrigen Nutztieren gestalten sich alle sehr ähnlich. Zumeist werden die Mitglieder der Tierfamilie benannt bevor auf Besonderheiten der einzelnen Tiere eingegangen wird. Dabei werden Aspekte der Haltung, der Nutzung oder des alltäglichen Sprachgebrauchs wie Kinderlieder und Sprichwörter behandelt. Im Anhang sind Trainingsseiten zu finden, die besonders auf die Kenntnis der Tierfamilien und die Gangarten des Pferdes abhebt. Es folgen weitere Minitexte, die noch einmal zusätzliche Informationen zu den einzelnen Tieren geben. Im Anschluss schließt sich eine Fragenkartei an, mit deren Hilfe die Texte der einzelnen Kapitel besser durchdrungen werden können. Das Heft schließt mit Musterlösungen zu diesen Aufgaben.
Reflexion
Im Rahmen der Analyse zeigt sich, dass die Schüler beim Lesen viele nützliche Informationen zum Thema Landwirtschaft gewinnen können. Die kleinen Texte sind kurz, altersgerecht und gut verständlich formuliert. Die Bilder sind großformatig und können ausgemalt werden, regen aber gleichzeitig dazu an, selbst kreativ zu werden und mit Blick auf die Texte noch mehr dazu zu zeichnen. Die Aufgaben ermöglichen eine tiefere Auseinandersetzung mit den Inhalten der Texte. So werden die Lernenden beispielsweise darin aufgefordert schwierige Wörter zu wiederholen, zusammenfassende Sätze zu formulieren oder die Bedeutung bekannter Sprichwörter zu hinterfragen. Die Gestaltung des Heftes kann als sehr motivierend beschrieben werden.
Negativ herausgehoben werden muss jedoch die Darstellung der Tierhaltung. Obwohl kein direkter Bezug auf einzelne Haltungsformen genommen wird, werden insbesondere in den Kapiteln zum Rind und zum Schwein negative Konnotationen hervorgerufen. Beispielsweise findet sich im ersten kleinen Text die Formulierung „[die Kühe] dürfen auf einer Wiese grasen“. Oder im zweiten Kapitel zum Schwein ein ganzer Absatz zum „armen Schwein“, in dem das Mästen und die Schlachtung der Tiere sehr abwertend beschrieben werden. Im gleichen Atemzug wird sowohl in dem Text als auch in den Aufgaben die vegetarische/vegane Lebensweise als Alternative vorgestellt. Gleiches gilt für die Seiten zum Huhn. Hierin wird die Haltung der Tiere in Legebatterien kritisiert und der Kauf von Bio-Produkten als Alternative empfohlen. Dies macht eine wertfreie Vermittlung im Unterricht sehr schwierig. Generell ist eine Behandlung solch schwieriger und strittiger Themen erst ab Klasse 6 sinnvoll, da Schüler erst dann in der Lage sind, ein eigenes Urteil zu bilden und die Zusammenhänge in dieser Wertschöpfungskette zu begreifen[2].
Weiterhin fällt zum Beispiel das kleine Ferkel, das auf einer Blumenwiese steht, oder das Pferd, das an der Seite des Bauern die Feldarbeit verrichtet, auf. Diese idyllischen Darstellungen und die Texte, die sich teilweise ebenso gestalten, lassen die Bezüge zur Realität in der modernen Landwirtschaft vermissen. Es wäre wünschenswert, authentischere Abbildungen und Beschreibungen auszuwählen, um den Schülern die Sachverhalte fachlich korrekt und entsprechend didaktisch reduziert zu vermitteln.
Die Seiten zu den einzelnen Nutztieren gestalten sich sehr einheitlich und übersichtlich. Sie erleichtern durch die großen Bilder, die ausgemalt werden können, einen ersten Zugang. Auch der Erwerb von Fachbegriffen wird durch die Materialien, insbesondere durch die Texte gefördert. Mit Hilfe der Sprichworte, Kinderreime oder der Witze gelingt darüber hinaus eine Einbettung in die Lebenswelt der Schüler. Die Aufgaben leiten das Lesen der Texte an und ermöglichen so ein besseres Verständnis. Allerdings wären Lösungshilfen, differenzierende Aufgaben oder ein kleines Lexikon, mit denen auch inklusiven Schülern ein Zugang zu den Inhalten erleichtert würde, wünschenswert.
Abschließend kann gesagt werden, dass sich das Lehrwerk nur bedingt eignet, um neben dem Deutschunterricht auch sachunterrichtliche Themen anzusprechen. Große Potenziale liegen sicherlich in den Ausmalbildern und den kurzen sowie altersgerechten Texten. Dennoch führt die negative Beschreibung der landwirtschaftlichen Produktion und die idyllisierte Darstellung in den Texten und Bildern dazu, dass keine objektive Aneignung von neuem Wissen ermöglicht wird. Der Lehrkraft kommt mit der Bearbeitung des Heftes die Aufgabe zu, lenkend einzugreifen und mit dem Besuch eines außerschulischen Lernortes ein authentisches Bild eines landwirtschaftlichen Betriebes zu vermitteln.
[1] Im Folgenden wird zur Vereinfachung die maskuline Form angewendet.
[2] Mehrere Modelle der Pädagogischen Psychologie u.a. Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung 1958 gehen davon aus, dass Kinder erst ab etwa 14 Jahren dazu in der Lage sind, ein moralisches Urteil zu fällen.
Details Eintrag
- Alle