Klima-Schutz für jeden Tag - Ein Ideen-Buch in Leichter Sprache
Das vorliegende Buch „Klima-Schutz für jeden Tag. Ein Ideen-Buch in Leichter Sprache“ ist 2022 erstmalig im Oekom-Verlag erschienen. Das Werk möchte allen Menschen einen Zugang zur Thematik verschaffen und den Klimaschutz für alle Bevölkerungsgruppen begreifbar machen. Vor allem die Zielgruppe der Menschen, die besondere Unterstützungs- und Förderbedarfe im Bereich Sprache, geistige Entwicklung oder Lernen besitzen, können mit dem Buch angesprochen werden. Inhaltlich eignet es sich eher für den Unterricht in Förderschul- oder Sprachlernklassen, wobei vor allem fortgeschrittene Lernende ab 12 Jahren damit arbeiten sollten. Auch im außerschulischen Bereich kann es zum Einsatz kommen, dann insbesondere in Lernwerkstätten für Menschen mit Behinderung mit denen man Lernimpulse zum Thema umsetzen möchte. Das Buch ist durchgängig in Leichter Sprache verfasst – eine speziell geregelte einfache Sprache, die auf leichte Verständlichkeit zielt und eigene Regeln verfolgt. Für den Kontext der landwirtschaftlichen Bildung ist das Kapitel 3 „Über den eigenen Teller-Rand blicken“ von Interesse.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des Werkes haben die Lernenden die Möglichkeit, vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben. Insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeits- und Ernährungsbildung lassen sich hier zahlreiche Anknüpfungspunkte finden. So erwerben die Schüler:innen durch die Bearbeitung der Doppelseite „Über den eigenen Teller-Rand blicken“ zentrale Kompetenzen zu unterschiedlichen Aspekten von Nachhaltigkeit im Bereich Tierhaltung und Pflanzenbau. Darunter unter anderem die Probleme, die die konventionelle Landwirtschaft mit sich bringt. In diesem Kontext werden Hinweise zur Veränderung gegeben, die sich einerseits auf die politischen Rahmenbedingungen beziehen und andererseits auf die eigenen Handlungsoptionen Bezug nehmen. Dazu werden auf den folgenden Doppelseiten Tipps gegeben, wie beim Einkaufen auf Nachhaltigkeit besonderer Wert gelegt werden kann. Herzstück des Kapitels sind allerdings die praktischen Anwendungsbeispiele, die vom Bau eines heimischen Gemüsebeetes für den Balkon über die Zubereitung von pflanzlichen Aufstrichen hin zur Verwertung von Brotresten zu Bratlingen reichen.
Wie bereits deutlich geworden ist, verwendet das Buch durchgängig Leichte Sprache. Charakteristisch für Leichte Sprache ist ihr eigenes Regelwerk, dass die Nutzung eines Mediopunktes vorsieht (hier als Bindestrich). Damit werden Komposita getrennt, die für Nicht-Muttersprachler:innen oder Menschen mit besonderem Förderbedarf schwer zu verstehen sind. Um den Kompetenzerwerb weiter zu unterstützen wird verstärkt mit Bildern gearbeitet.
Aufbau und Analyse des Buches
Das Buch verfügt über eine Ringbindung, die über einen besonderen Einschlag geschützt ist. Es kommt im quadratischen Format daher und erinnert von der Haptik an ein Bilderbuch. Die Seiten sind auf ökologisch-zertifiziertem Papier gedruckt. Das Buch umfasst insgesamt sechs inhaltliche Kapitel. Zunächst wird mit dem Vorwort eingestiegen, in dem der Begriff Klimawandel sowie die Notwendigkeit zum Handeln jedes:r Einzelnen deutlich gemacht werden. Daran schließt sich das erste Kapitel „Gut für sich selbst sorgen“ an, in dem der negative Einfluss des Menschen auf die Erde herausgestellt und die Bedeutung des Umweltschutzes aufgezeigt wird. Einen ersten Aspekt des Kapitels markiert das Einlegen von sinnvollen Pausen, bei denen das Spüren des eigenen Körpers und der gefühlten Emotionen aufgegriffen wird. Dazu wird das Erkennen von Gesichtsausdrücken in Kombination mit bestimmten Emotionen und die Körperreise mit der das bewusste Spüren der Körperteile und Gliedmaßen eingeübt wird. Auch Yoga-Übungen, die im Stehen und Sitzen durchgeführt werden können, werden in diesem Kapitel gezeigt. Im Anschluss gibt das Werk Hinweise zur Erkundung der Natur, insbesondere des Waldes und des Bodens. Kapitel zwei „Freundlich zueinander sein“ legt die Grundwerte unserer Gesellschaft als Grundlage bevor auch hier verschiedene Übungen gezeigt werden, die sich beispielsweise dem aufmerksamen Zuhören, dem Kommunizieren des aktuellen Befindens (Übung Wetterbericht) oder dem Redestab, mit dem die Aufmerksamkeit bei einer Person liegt, zuwenden. Im dritten Kapitel „Über den eigenen Tellerrand blicken“ behandelt die landwirtschaftliche Produktion, die Ernährung und den Konsum. Zunächst wird auch hier in das Thema eingeführt und auf die konventionelle Landwirtschaft (Tierhaltung und Ackerbau) Bezug genommen. Anschließend werden Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz beim Einkaufen zusammengestellt. Das Kapitel schließt mit praktischen Hinweisen zur Konstruktion von Pflanzkübeln und zur Herstellung von Dips und Bratlingen aus Lebensmittelresten. Kapitel vier „Unsere Umwelt sauber halten“ wendet sich der Problematik der Vermüllung zu. Auch hier gibt das Buch Hinweise zum Umgang mit Müll (Mülltrennung, Müllvermeidung, Herstellung von Bienenwachstüchern). Mit „Weniger kaufen, weniger brauchen“ ist Kapitel fünf überschrieben. Es gibt Ideen zum bewussten Konsum und zum Re- bzw. Upcycling von Produkten. Das sechste Kapitel „Sich mit anderen zusammen-tun“ widmet sich dem gemeinsamen Aktiv-Sein für den Umweltschutz. Es gibt Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten in diesem Sinne: z.B. Kleider-Tausch-Parties, kollektiven Arbeitseinsätzen oder Baumpflanzaktionen. Das Buch schließt mit den Ideen der Autor:innen und Mitwirkenden von einer lebenswerten, nachhaltigen Zukunft.
Reflexion
Bereits in der Analyse der Seiten ist deutlich geworden, dass sie stringent, übersichtlich und einheitlich gestaltet wurden. Durch die durchgehend verwendete Leichte Sprache wird insbesondere inklusiven Lerngruppen ein Zugang zur Thematik Klimaschutz und Nachhaltigkeit gegeben. Hinzu kommen die einfache Strukturierung der Kapitel, die gleichförmige Seitenstruktur und das durchgehende Schriftformat, die Lernenden mit bestimmten Förderbedarfen z.B. in den Bereichen Lesen, Lernen oder geistige Entwicklung helfen. Am Beispiel des dritten Kapitels „Über den eigenen Teller-Rand blicken“ sollen im Fortgang die Vor- und Nachteile des Werkes dargelegt werden.
Zu den Texten des Kapitels ist zu sagen, dass diese die Sachverhalte knapp und kompakt darstellen. Inhaltlich greifen sie daher etwas kurz und es kommt zu verkürzten sowie stark reduzierten Darstellungen (z.B. „Unser Essen verändert auch das Leben von Tieren. Ein Grund dafür ist zum Beispiel die Massen-Tier-Haltung“, 56). Wesentliche Aspekte, wie der Einkauf oder die Menge der Produkte, die eingekauft werden, sowie die unterschiedlichen Arten von tierischen Produkten, z.B. ökologisch oder konventionell produziert, bleiben dabei unberücksichtigt. Der Gesamtzusammenhang geht verloren und es wird kein globales, ganzheitliches Verständnis der Sachverhalte aufgebaut. Hinzu kommt, dass die Begriffe wie hier Massentierhaltung nicht vollumfänglich oder falsch erklärt werden (z.B. „Sie [Die Tiere] können sich nicht bewegen oder hinlegen.“, 56). Der Pluralität der Agrarbranche und des Konsumverhaltens der Verbraucher:innen wird damit nicht hinreichend Rechnung getragen. Diese verkürzten Aussagen führen zu Stereotypisierung und möglicherweise zu deren Reproduktion in den entsprechenden Alltagssettings. Durch ein anschauliches Schaubild wäre hier die Darstellung des Produktionsweges von der Geburt eines Ferkels zur fertigen Wurst oder von einem Kalb zum Joghurt angemessener möglich gewesen. Auf diese Weise hätte in der Thematisierung des Schaubildes eine gezielte Erläuterung durch die Lehrkraft erfolgen können. Auch die Anregung, eine Hoferkundung durchzuführen, bei der die Lernenden die Prozesse direkt vor Ort erkunden und die Tiere anfassen können, wäre angemessen.
Die Ratgeber zum klimafreundlichen Einkaufen sind außerordentlich hilfreich. Hier wären kleine Aufgaben sinnstiftend, die die Lerner:innen zusätzlich animieren, die einzelnen Tipps umzusetzen. So wäre beispielsweise das Erstellen einer Einkaufsliste oder die Anfertigung von Plakaten, die aufgehangen werden können, hilfreich. Diese erleichtern und strukturieren den Alltag. Die Rezeptideen, zu denen es schrittweise Anleitungen gibt sind passend und zielführend gestaltet.
Die Bebilderung ist ansprechend, vor allem die Darstellung von Personen. Die Bilder können in Lehr-Lern-Settings herangezogen, betrachtet und ausgewertet werden. Zugleich dienen sie der Anschauung für Personen, denen das Lesen schwerfällt.
Persönliche Gespräche mit Mitarbeiter:innen der Branche machen jedoch deutlich, dass das Werk sich vor allem im sprachsensiblen Unterricht der weiterführenden Schule, Koch-Arbeitsgemeinschaften oder Förderschulen eignet, bei denen die Lernenden keine stark alltagseinschränkende Behinderung aufweisen. Vor allem im gesellschaftswissenschaftlichen oder hauswirtschaftlichen Unterricht zeigt das Buch großes Einsatzpotenzial. In Einrichtungen für Menschen mit starker geistiger, körperlicher oder Mehrfachbehinderung kommen solche Bücher weniger zum Einsatz. Hier liegt der Fokus auf den Bedürfnissen der Bewohner:innen und der Erreichung einer größtmöglichen Selbstständigkeit. In der Versorgung der Menschen kommen aus den genannten Gründen vielfach Fertigprodukte zum Einsatz, eine eigene Zubereitung der Speisen wird nur in seltenen Fällen umgesetzt. Auch hygienische Aspekte spielen dabei vielfach eine große Rolle (geöffnete Produkte müssen in mindestens 24 Stunden verbraucht werden). Nichtsdestotrotz werden Bücher, wie dieses, als Ratgeber herangezogen.
Insgesamt hat sich gezeigt, dass das Buch einen spannenden und weniger etablierten Zugang zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit für Menschen mit Behinderungen bildet. Vor allem für Förderschulen oder Bildungseinrichtungen für Personen, die weniger starke Alltagseinschränkungen besitzen, offenbart das Werk großes Potenzial. Beachtet werden muss allerdings die stark verkürzte Darstellung der Sachverhalte, die dazu führen kann, dass die Themen nicht vollumfänglich durchdrungen und ihre Komplexität nur oberflächlich deutlich wird. Gerade in Bezug auf die Landwirtschaft sind die Darstellungen sehr oberflächlich und einseitig. Die Funktionsweise der landwirtschaflichen Produktion und die Vielfältigkeit der Branche werden nicht deutlich. Wünschenswert wäre ein stärkerer Bezug zum außerschulischen Lernen auf dem Bauernhof oder dem Wochenmarkt, wobei die Lernenden direkt mit den Tieren und den Produkten in Berührung kommen, aktiv Fragen stellen und Stereotype abgebaut werden können. Zudem wären Abbildungen und weitere Ausführungen zur landwirtschaftlichen Produktion eine sinnvolle Ergänzung.
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