PRISMA Wahlpflicht 2 – Naturwissenschaften aktiv, Differenzierende Ausgabe
Das Lehrwerk „PRISMA Wahlpflicht 2 – Naturwissenschaften aktiv“ ist 2016 in der zweiten Auflage im Klett-Verlag erschienen. Es eignet sich für einen Einsatz im naturwissenschaftlichen Unterricht der Klassenstufe 7/8, der seinen Lernenden gezielt Alltagsphänomene mit Hilfe von Experimenten und Versuchen praxisnah vermitteln möchte und kann in allen Bundesländern curriculakonform genutzt werden. Als differenzierende Ausgabe bietet es besonderes Potenzial in allen Schulformen der Sekundarstufe I. Denkbar ist ferner eine Nutzung in informellen Kontexten. Weiterführende Links stehen auf der Internetseite des Verlages zur Verfügung. Das Thema Landwirtschaft wird vordergründig im Kapitel 1: „Landwirtschaft und Nahrungsmittel“ angesprochen.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler[1] erhalten durch die Arbeit mit dem Lehrwerk die Möglichkeit, vielfältige Kompetenzen zu erwerben. So zeigt beispielsweise ein Blick in die Bildungspläne des Bundeslandes Bremen die Rahmenthemen für die Klassenstufe 7/8 auf, dass zum Thema „Vom Acker“ gefordert wird, dass die Schüler sich über die Herstellung sowie über die Zusatzstoffe von Lebensmitteln informieren sowie Zusammenhänge zu ihrer Qualität herstellen. Das Lehrwerk setzt dies beispielsweise auf den Seiten zur Haltbarkeit und Qualität von Lebensmitteln um. Darin lernen sie unterschiedliche Arten der Haltbarmachung von Produkten kennen und prüfen. Mehrere Beispiele für die Konservierung werden thematisiert, darunter besonders das Verfahren des Pasteurisierens. Ein weiterer Abschnitt des Kapitels setzt sich mit der Verarbeitung von Nahrungsmitteln auseinander. Bedeutende Milchprodukte wie Butter oder Joghurt können mit Hilfe einer Anleitung selbst hergestellt und verkostet werden.
Das Lehrwerk charakterisiert sich darüber hinaus durch eine sehr handlungsorientierte Konzeption und weicht dadurch entscheidend von klassischen Schulbüchern ab. Es bietet durch die vielfältigen Experimente und Versuche eine alltagsnahe und schülergerechte Aufbereitung komplexer Phänomene sowie durch die binnendifferenzierten Aufgaben die Möglichkeit, eines schrittweisen selbstständigen Kompetenzaufbaus.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Wie bereits deutlich geworden ist, weicht die Konzeption des Lehrwerkes stark von der üblichen Gestaltung ab. Auf der ersten Seite wird in das Schulbuch eingeführt und wichtige Symbole erläutert. Die klassischen Einstiegsdoppelseiten beinhalten große Fotos und erste aktivierende Fragestellungen. Auf den Themendoppelseiten (hier: Basisseiten) werden konkrete Informationen zu den jeweiligen Themen mit Texten, Bildern und differenzierten Aufgaben angeboten. Weiterhin finden sich umfangreiche Aktionsseiten. Diese stellen unterschiedliche Experimente vor, die zur Thematik durchgeführt werden können und den Erkenntniserwerb unterstützen sollen. Mit Hilfe von konkreten Anleitungen, schematischen Darstellungen und Fotos geben sie Hilfestellung bei der Durchführung der Versuche. Auf den folgenden Material-Seiten finden sich weitere Quellentexte, Bilder, Grafiken, Tabellen und andere Medien. Diese können zur Bearbeitung der Aufgaben genutzt werden. Die Kapitel schließen mit Abschlussseiten, die blau hinterlegt sind. Darin werden zusätzliche und vertiefende Aufgaben gestellt, mit denen die erworbenen Kompetenzen geprüft und erweitert werden können. Darüber hinaus werden auf diesen Seiten auch Zusammenfassungen in Textform gegeben.
Das Inhaltsverzeichnis zeigt die drei Oberkapitel mit den verschiedenen Unterkapiteln. Deren Anzahl schwankt von fünf bis zu sieben. Pro Unterkapitel steht mindestens eine Aktionsseite sowie eine Materialseite zur Verfügung. Die letzten Seiten des Buches halten Musterlösungen für die Aufgaben bereit und helfen die Operatoren der Aufgaben zu verstehen. Abschließend findet sich ein Stichwortverzeichnis sowie eine Liste von Bildnachweisen. Die Basisseiten, die sich mit landwirtschaftlichen Themen beschäftigen, sind überwiegend im Kapitel 1 verortet und setzen sich mit „Pflanzen-Anbau“, „Tierhaltung“, „Versorgung mit Nahrungsmitteln“ und „Nachhaltigkeit – eine gute Idee“ auseinander.
Reflexion
In der Gesamtsicht ist deutlich geworden, dass das Lehrwerk sehr handlungsorientiert und schülergerecht gestaltet ist. Durch seine besondere Konzeption bietet es vielfältige Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Lehr-Lern-Situationen. Die Seiten sind abwechslungsreich gestaltet und offerieren durch ihre mediale Vielfalt unzählige Lerngelegenheiten. Auf den Basisseiten findet sich umfangreiches Textmaterial, das den größten Teil der Seite einnimmt. Dazu gesellen sich wenige Bilder und umfangreiche Aufgaben, die mindestens fünf zumeist jedoch mehr Fragen zu den Texten beinhalten. In den Texten wird kaum Bezug auf die Bilder genommen, was vermuten lässt, dass die Bilder eher als loses Beiwerk zu betrachten sind und keine weitere Bedeutung besitzen. Darüber hinaus zeichnen sich die Texte durch eine gute Gliederung aus, führen wichtige Begriffe ein und informieren umfangreich über die jeweiligen Themen. Zudem geben sie am Ende der Seite eine kurze Zusammenfassung des Inhalts. Die Aufgaben beziehen sich vordergründig auf den Text. In der Regel werden alle Anforderungsbereiche aufgegriffen, die mit unterschiedlichen Symbolen gekennzeichnet sind. Auch sie zeichnen sich durch handlungsorientierte Operatoren aus. Insgesamt wirken die Basisseiten durch die sehr langen Texte etwas überladen, jedoch einheitlich und strukturiert.
Die Versuche, die auf den Aktionsseiten dargestellt werden, sind nach Themen untergliedert. Neben den dafür benötigten Utensilien und der Versuchsanleitung werden die Beobachtungsaufträge, die Protokollierung und die Auswertung mit Hilfe von Aufgaben gesteuert. Dabei werden außerdem die Medien der Materialseiten mit einbezogen. Komplexe Versuchsaufbauten sind ebenfalls abgebildet, sodass die Lerner eine Vorstellung davon erhalten. Auch hier finden sich Fotos, die den Praxis- und Lebensweltbezug herstellen sollen, es wird jedoch wie bereits auf den Basisseiten kaum Bezug darauf genommen. Alles in allem wirken die Aktionsseiten ähnlich wie die Themenseiten eher überladen und durch ihre Fülle an Aufgaben unmotivierend. Im Gegensatz dazu stehen die Materialseiten, die mit einer abwechslungsreichen Gestaltung in Form von Grafiken, Fotos, kleinen Texten unterschiedlichen Formats und lebensweltlichen Bezügen aufwarten. Sie bestechen durch den engen Bezug der Materialien untereinander und spiegeln die inhaltliche Vielfalt der Themen wider. Die bunten Farben können jedoch etwas ablenkend wirken. Die Kapitel schließen jeweils mit Zusammenfassungen, die auf einer Seite kleine Texte zu den Stichworten oder Fachbegriffen der bearbeiteten Themen geben und andererseits Kontrollaufgaben zur Verfügung stellen. Studien haben ergeben, dass zusammenfassende Ergebnistexte das erworbene Wissen nur bestätigen und kaum positiv auf den Wissenserwerb und die Festigung der erworbenen Kompetenzen wirken (vgl. Rinschede 2007, S. 351). Sie stehen daher in einem Gegensatz zur insgesamt sehr handlungsorientierten Konzeption des Lehrwerks. Gut gelungen sind hingegen die Aufgaben, die noch einmal der vertieften Auseinandersetzung dienen und zur individuellen Vernetzung beitragen. Dennoch könnte ihre Aufmachung motivierender und schülergerechter sein. Kleine Rätsel oder Zuordnungsaufgaben sind hierbei sehr beliebt und haben sich in der Praxis durchgesetzt.
Auf der Doppelseite zum „Pflanzen-Anbau“ wird am Beispiel der Sonderkultur des Gemüses Weißkohl die konventionelle und ökologische Produktion vorgestellt. Anschaulich werden der Anbau und die Ernte sowie die Unterschiede von beiden Produktionsformen im Text herausgearbeitet. Als bedeutende Differenzen kommen dabei die Einsaat, die Bewirtschaftung, die Schädlingsbekämpfung, die Ernte sowie die unterschiedlichen Erträge beider Produktionsformen zur Sprache. Die Aussagen sind sachlich, zielführend und entsprechend didaktisch reduziert. Auch die Aufgaben zeigen diese Struktur, sie nehmen auf bestimmte Sachverhalte noch einmal Bezug und arbeiten die bedeutendsten Kriterien noch einmal heraus. Wie jedoch in den vorangegangenen Ausführungen bereits deutlich geworden ist, nimmt auch auf dieser Doppelseite der Text den größten Teil ein. Die Bilder sind von guter Qualität, werden aber nicht mit in den Lernprozess eingebunden. Darüber hinaus ist fraglich, welchen didaktischen Mehrwert sie besitzen. Die Mehrzahl der Aufgaben fokussiert zudem ein handlungsorientiertes Endprodukt oder stellt kommunikative Kompetenzen in den Mittelpunkt.
Die Doppelseite zur „Tierhaltung“ behandelt zum einen die konventionelle Haltung von Milchvieh sowie die Produktion von Milch und die Rinderhaltung in der ökologischen Landwirtschaft. In den Ausführungen gibt es einige begriffliche Unklarheiten: so werden auf der einen Seite die Milchviehhaltung und Milchproduktion und auf der anderen Seite die Haltung besprochen. Die wenig trennscharfe Unterscheidung dieser Themen setzt sich in den Aufgaben fort. Darin sollen die konventionelle mit der ökologischen Tierhaltung miteinander verglichen werden. Auch der Begriff „artgerecht“ taucht hier auf, obwohl er im Text gar nicht angesprochen wird. Um eine sachlich korrekte und fachlich fundierte Auseinandersetzung mit den Sachverhalten anzubahnen, sollte ein Schwerpunkt ausgewählt werden, um auch den Schülern die Möglichkeit zur detaillierteren Auseinandersetzung zu geben. So lassen sowohl die Texte eine inhaltliche Tiefe als auch die Aufgaben eine Anleitung zur entsprechenden Durchdringung vermissen, auch die Bilder werden nur sporadisch eingebettet. Auf der zugehörigen Materialseite, die Wild- und Hausschwein kontrastiert, setzt sich der negative Eindruck fort. Die Beschreibung der konventionellen Schweinemast ist überwiegend negativ und ihr Leben dort wird mit dem von Wildschweinen verglichen.
Alles in allem ist deutlich geworden, dass das Lehrwerk durch seine umfangreichen Angebote zum handlungsorientierten Lernen, im Besonderen durch die Experimentieranleitungen, besticht. Lebensweltliche Bezüge werden hergestellt, viele Wege zur Gewinnung von Informationen angeboten sowie schülergerechte Darstellungen in Schrift und Bild gewählt. Dennoch ist die Fülle der Basis- und Aktionsseiten, die ungenügende Einbettung der Bilder sowie die fachlich wenig durchdrungene und überwiegend negative Beschreibung der konventionellen Tierhaltung kritisch zu sehen. Wenngleich auf den Aktionsseiten eine Erkundung empfohlen wird, wäre besonders auf den Seiten zur Landwirtschaft eine stärkere Akzentuierung des handlungsorientierten außerschulischen Lernens vonnöten, um eine individuellen Zugang zu den Themen zu schaffen und eine fundierte Meinungsbildung zu unterstützen.
[1] Nachfolgend findet zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum Verwendung.
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