Gesellschaft bewusst 1.
Das Schulbuch „Gesellschaft bewusst 1. Differenzierende Ausgabe Nordrhein-Westfalen“ ist 2021 im Westermann-Verlag erschienen. Als Lehrwerk ist es ausgelegt auf den Unterricht im Fach Gesellschaftswissenschaften der Klassenstufe 5/6 an integrierten Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen. Das Fach vereint die Unterrichtsfächer Geschichte, Erdkunde und Politik. In der Praxis werden sie vielfach epochal unterrichtet, sodass sich thematische Schwerpunkte bilden lassen, die fächerübergreifend betrachtet werden. So beispielsweise beim Thema Ernährung oder Landwirtschaft, wie im Kapitel vier „Die Landwirtschaft im Wandel“ deutlich wird. Zum Buch kann eine BiBox erworben werden, mit der sich die Materialien digital nutzen lassen.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung der o.g. Seiten des Schulbuches haben die Lernenden die Möglichkeit, zahlreiche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die vom Lehrplan des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen gefordert werden. Ein Blick in die staatlichen Vorgaben macht allerdings deutlich, dass die Formulierungen der Kompetenzerwartungen im Vergleich zu den Themen und Überschriften des Schulbuches differieren. Da der Lehrplan nur grobe Inhaltsfelder vorgibt, wurden für das Lehrwerk konkrete thematische Schwerpunkte gefasst, die sich in den Kapitelüberschriften wiederfinden. Die Lernenden erwerben dabei Kompetenzen zur naturräumlichen Ausstattung Deutschlands als Grundlage für die Auseinandersetzung mit der landwirtschaftlichen Nutzung. Eine Doppelseite zeigt die verschiedenen Arten der Landwirtschaft und die Anbauregionen in Deutschland für einzelne Feldfrüchte auf. Darüber hinaus thematisiert eine weitere Doppelseite überblickshaft die Veränderungen in der Landwirtschaft durch den Strukturwandel und die damit verbundene Mechanisierung, Intensivierung und Spezialisierung. Zudem gibt es zwei Doppelseiten, welche die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft beleuchten und voneinander unterscheiden. In diesen Kontexten werden neben den fachlichen Kompetenzen methodische Kompetenzen geschult. Es kann zwischen fachspezifischen Arbeitsmethoden wie dem Lesen und Auswerten einer physischen Karte und fachübergreifenden Arbeitstechniken wie der Gestaltung einer Wandzeitung oder der Informationsgewinnung und Interpretation von Diagrammen und Informationsgrafiken unterschieden werden. Darüber hinaus gibt es Praxis-Seiten, die handlungsorientierte Lernvorhaben fokussieren, wie beispielsweise einer Erkundung eines landwirtschaftlichen Betriebes oder der Kartierung des eigenen Schulgeländes.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch verfügt über einen festen Hardcovereinband und ist im Format etwas kleiner als DIN A4. Der Einband ist bestrückt mit zwei physischen Karten Europas, wobei die vordere die Naturräume in den Blick nimmt und die hintere Seite wichtige europäische Städte sowie die Staatsgrenzen abbildet. Es folgt die Titelseite mit der Nennung der Autor:innen. Danach schließen sich das Impressum sowie die Tipps zum Lernen mit dem vorliegenden Schulbuch an. Es werden Hinweise zum Aufbau der Kapitel, zur Gestaltung der Texte und Aufgaben sowie den Anmerkungen an den Seitenrändern gegeben. Insgesamt umfasst das Lehrwerk 14 Kapitel, die durch den Anhang komplettiert werden. Die Kapitel beginnen mit Einstiegsdoppelseiten, die einen ersten Einblick in das jeweilige Thema geben. Mithilfe einer großen Überschrift, großformatigen Bildern und einem kleinen Einstiegstext mit Fragen, erfolgt eine gezielte Steuerung auf die jeweiligen Lernziele des Kapitels. Zudem gibt es zahlreiche Themendoppelseiten, die in bekanntem Format unterschiedliche Strukturelemente miteinander kombinieren: Texte, Bilder, Grafiken, Tabellen, Karten und Diagramme. Wie bereits in der Betrachtung der curricularen Passung dargelegt wurde, verfügt es außerdem über Methodenseiten und Praxis-Seiten, die das Ziel verfolgen, methodische und handlungsorientierte Kompetenzen zu fördern. Darüber hinaus gibt es Orientierungs-Seiten, welche die räumliche Orientierung fördern sollen. Auch Seiten, die Wahlpflichtthemen bereitstellen und der quantitativen und qualitativen Differenzierung dienen können, sind zu finden. Die Kapitel schließen mit „Gewusst? – Gekonnt!“. Auf diesen Seiten finden sich Aufgaben, mit denen die Lernenden ihre erworbenen Kompetenzen individuell prüfen können. Im Anhang befinden sich Hinweise zur richtigen Arbeit mit Operatoren, eine Zeitleiste mit wesentlichen historischen Ereignissen, ein Minilexikon, umfangreiches Kartenmaterial sowie das Text- und Bildquellenverzeichnis.
Reflexion
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Schulbuch übersichtlich, strukturiert und ansprechend gestaltet ist. Besonders zu erwähnen ist der altersadäquate und schüler:innengerechte Aufbau der Seiten sowie der enge Bezug zum Nahraum. Wie bereits im Abschnitt zu den Lernzielen und Kompetenzen deutlich geworden ist, ist die Passfähigkeit zum Lehrplan nur bedingt gegeben. Dies wird bei einer Betrachtung der Kapitelüberschriften, der Seiteninhalten und der Aufgaben im Vergleich zu den curricularen Vorgaben deutlich. Dies ist dahingehend problematisch, dass sich Lehrkräfte immer zusätzlich durch den Lehrplan und den schulinternen Arbeitsplan absichern müssen, dass auch das gelehrt wird, was vorgegeben wird. Zudem ist der Aufbau der Kapitel kritisch zu bewerten. So wird häufig mit den Wahlpflichtthemen begonnen, die ohne die Kompetenzen auf den folgenden Seiten nicht vollumfänglich bearbeitet werden können. Deutlich wird das im Kapitel zur Landwirtschaft: Es beginnt mit den Großlandschaften und relevanten Faktoren Klima und Boden. Direkt im Anschluss wird auf Sonderkulturen und Milchwirtschaft im Allgäu eingegangen. Diese Seiten sollten am Ende eines Kapitels angeordnet werden, sodass auf bereits erworbene Kompetenzen zurückgegriffen werden kann. So wäre es sinnvoll gewesen die Doppelseite, die überblickshaft die Landwirtschaft in Deutschland darstellt und die Auswertung einer Bodennutzungskarte bereithält, unmittelbar nach den Seiten zu Klima und Boden anzuordnen.
Die Texte der Doppelseiten sind kurz und heben sich gut von den anderen Materialien ab. Der Schwierigkeitsgrad ist angemessen, Fachbegriffe und wichtige Fremdworte werden unterstrichen und im Anhang erläutert. Auffällig ist, dass zumeist an einem Bespiel erläutert wird (Bauer Winghus, der Lärchenhof der Familie Schindele usw.). Für die Schüler:innen ist das sehr motivierend und erleichtert den Zugang. Die Lehrkraft muss dann verallgemeinernd zusammenfassen. Inhaltlich kann festgehalten werden, dass die Aussagen angemessen didaktisch reduziert wiedergegeben werden. Lobenswert ist insbesondere die gelungene neutrale Darstellung von konventioneller und ökologischer landwirtschaftlicher Produktion. Wesentliche Fachbegriffe wie Strukturwandel, Sonderkulturen oder Spezialisierung, die der Lehrplan vorgibt, werden erläutert.
Die Bilder sind passend gewählt und holen die Schüler:innen aus ihrer Lebenswelt ab. Teilweise werden sie jedoch eher als Platzhalter genutzt und haben keinen weiteren Wert für den Kompetenzerwerb der Lernenden (z.B. M2/M3, S. 79), da sie für die Lösung der Aufgaben nicht berücksichtigt werden müssen. Weiterhin kann gesagt werden, dass die Überschriften der Bilder und der anderen Materialien teilweise sehr lang sind. So wird M4 auf Seite 79 mit „Feldfrüchte, ihre Ansprüche an den Boden und was man daraus herstellen kann“ überschrieben, was zu lang ist. Auch die Erläuterungen dazu sind etwas knapp geraten. Einige Bildbeschreibungen wie M1 auf Seite 86, unterschrieben mit „Rinderhaltung“, sind fehlerhaft, da es sich um Milchviehhaltung handelt. Diese Aspekte sollten bereinigt werden. Hinzu kommt, dass die Grafiken teilweise etwas klein sind. Das betrifft insbesondere die Abbildungen zu den Monatsmitteltemperaturen und -niederschlägen auf der Doppelseite zum Klima im Moseltal. Wünschenswert wären hier größere Darstellungen, die auch von Schüler:innen mit entsprechendem Förderbedarf gelesen werden können. Zu den Karten muss gesagt werden, dass diese übersichtlich und von angemessener Größe sind. Kritisch zu bewerten ist jedoch, dass die Lernenden keine Unterstützung bei der Auswertung in Form eines Lösungsbeispiels erhalten. Studien belegen, dass Karten besonders dann erfolgreich ausgewertet werden können, wenn solche Beispiele vorhanden sind (vgl. Ballstaedt 1997). Bezüglich der tabellarischen Übersichten lässt sich festhalten, dass diese insgesamt gut gelungen sind und sich nahtlos in das Gesamtgefüge einpflegen. Jedoch gibt es auch hier Anpassungsbedarf. So wird auf der Doppelseite 88/89 zum Strukturwandel in M6 verglichen, wie sich die Betriebsstrukturen seit 1975 verändert haben. Dort ist zu lesen, dass Knechte auf den Höfen zu finden waren. Diese Knechtschaftsstrukturen gab es jedoch nur bis in die 50er Jahre. Wichtig wären bei dieser Gegenüberstellung auch die Begriffe Voll- und Nebenerwerbsbetriebe, welche die Unterschiede noch einmal nachdrücklich verdeutlichen würden.
Mit Blick auf die Aufgaben kann gesagt werden, dass diese gut mit den Materialien gelöst werden können. Sie sind in ihrer Schwierigkeit aufsteigend gegliedert und es finden sich die im Einband vorgestellten handlungsorientierten Methoden darin wieder. Über Operatoren wird die Erreichung der Lernziele sichergestellt. Diese könnten jedoch etwas abwechslungsreicher und stringenter genutzt werden und finden sich nicht bei jeder Aufgabe. Über Formulierungshilfen werden leistungsschwächere Schüler:innen unterstützt.
Nach der Reflexion bleibt zu resümieren, dass das Schulbuch einheitlich, übersichtlich und weitestgehend entsprechend der curricularen Vorgaben gestaltet wurde. Bezüglich des inhaltlichen Aufbaus des Lehrwerks sollte die Lehrkraft nachsteuern, indem er/sie eine konkrete fachdidaktisch begründete Anordnung der Lerninhalte vornimmt. Bei den Bildern und Materialien zeigte sich geringfügiger Optimierungsbedarf. Wünschenswert wäre auch die Einbindung digitaler Medien. Lobend zu erwähnen sind der enge Bezug zum Nahraum, das Aufgreifen außerschulischer Lernvorhaben sowie die motivierende Seitengestaltung.
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