Wo kommt unser Essen her?
Das Kinderbuch „Wo kommt unser Essen her?“ ist 2020 erstmalig im Beltz-Gelberg-Verlag erschienen und wurde von der Stiftung Buchkunst als eines der schönsten deutschen Bücher ausgezeichnet. Als solches empfiehlt es sich zur Anschaffung für den Kindergarten, die Vorschule, die Grundschule oder die eigene Hausbibliothek. In schulischen Lehr-Lern-Settings kann es im Rahmen von Projektwochen oder kleinen Unterrichtseinheiten zum Thema Gesunde Ernährung, Lebensmittel, Landwirtschaft und Nutztierhaltung zum Einsatz kommen. Es wird die Produktion der Lebensmittel Milch, Brot, Fisch, Fleisch, Äpfel, Eier und Tomaten dargestellt.
Lernziele und Kompetenzen
Zu den grundlegenden Kompetenzen, die in der Vor- und Grundschule vermittelt werden, zählen die Inhalte zur Landwirtschaft, wichtige Nutztiere und die gesunde Ernährung. Zu allen diesen Themen können die Lernenden umfassende Fähigkeiten und Fertigkeiten mit der Bearbeitung des Kinderbuches erwerben. Besonderen Fokus legt das Buch auf die Erzeugung von Lebensmitteln aus Tierhaltung und Pflanzenbau. So erlangen die Schüler:innen Kenntnisse über die verschiedenen Nutztiere, ihre Haltung und die Verarbeitung der Erzeugnisse zu Fleisch- und Frischwaren. Exemplarisch wurde dafür das Schwein für Fleisch, die Kuh für Milch, der Fisch für Frischfisch und die Legehenne für die Eier ausgewählt. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Produktion von Äpfeln, Tomaten und Brot, die in ähnlicher Weise dargestellt werden.
Zudem lernen die Kinder, wie sie die Herkunft der Nahrungsmittel erkunden können. Codes, Stempel, Kennzeichen und Etiketten werden in verschiedenen Formen, Farben und Nummerierungen vorgestellt. Die Lernenden können das Gelernte schnell auf ihre eigene Lebenswelt übertragen und eine eigene Erkundung starten, zum Beispiel im Schulgarten oder durch das Anlegen von Hochbeeten auf dem Schulhof. Auch verschiedene Verkaufsstellen wie Hofladen oder Bäckerei werden gezeigt.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Kinderbuch ist im DIN A3-Format gestaltet. Es verfügt über einen festen kartonierten Einband und insgesamt 32 Seiten. Die erste Seite zeigt das Impressum sowie den Titel mit einer großformatigen Zeichnung. Darauf folgt eine Seite, auf der die sieben Produkte zu sehen sind, die im Weiteren thematisiert werden sollen. Es gibt zudem eine Seite, die als Einstimmung in die Thematik genutzt werden kann und die den Weg von der Nahrungsaufnahme zum landwirtschaftlichen Betrieb zurückverfolgt. Daran schließen sich die inhaltlichen Seiten an. Es gibt zunächst eine Doppelseite, auf der die eine Hälfte die Produktion im kleinen Stil zeigt und die andere Hälfte einen Großbetrieb abbildet. Wie auf einem Wimmelbild werden die beiden Formen der Produktion gegenübergestellt. Zur Erläuterung dienen einzelne Worte und Pfeile, die in den Zeichnungen zu finden sind. Die darauffolgende Doppelseite greift diese Grundstruktur auf und es wird ein Einblick in die Abläufe auf den jeweiligen Betrieben gegeben. Hierbei handelt es sich um kleine Zeichnungen, die mit deutlich mehr Text zusammengebracht werden und eine gewisse Chronologie verfolgen. Dieses Schema wird für die anderen Lebensmittel: Brot, Fisch, (Schweine-)Fleisch, Äpfel, Eier und Tomaten weitergeführt. Das Kinderbuch schließt mit einer Doppelseite, auf der die Herkunft des Essens dargelegt und verschiedene Möglichkeiten angezeigt werden, wie Kinder mehr über die Herkunft ihrer Lebensmittel erfahren können.
Reflexion
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Kinderbuch ansprechend, vielseitig und für Kinder wie Erwachsene interessant gestaltet ist. Es besticht zudem durch seine ansprechenden und selbstgezeichneten Illustrationen sowie die hochwertige Haptik. Die Abläufe in den Betrieben und die Wertschöpfungsketten der einzelnen Produkte werden anschaulich und umfassend dargestellt. Die Informationen, die gegeben werden, sind gut recherchiert und vielseitig, sodass ein umfassender Einblick in die Sachverhalte gegeben wird. Es muss jedoch gesagt werden, dass die begriffliche Schärfe an einigen Stellen etwas fragwürdig ist. So wird ein genereller Unterschied zwischen „dem Bauernhof“ und „dem Großbetrieb“ suggeriert, den es aber faktisch nicht gibt. Zudem werden Ausgangspunkte festgelegt, die fachlich nicht angemessen ins Gesamtbild des Buches passen. So wird beispielsweise beim Brot vom Mehl ausgegangen und nicht vom Korn oder der Ähre auf dem Feld. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Nutzung von Rindern und Hühnern für die Erzeugung von Fleisch nicht thematisiert wird. Dabei könnte für Kinder der Eindruck entstehen, dass jedes Tier nur für eine Art von Lebensmittel genutzt werden kann.
Die Abfolge der Seiten untergliedert sich in traditionelle, „kleinere“ Produktionsformen wie sie auf Bauernhöfen bereits seit vielen Jahrzehnten durchgeführt wurden gegenüber modernen, industrialisierten Produktionen in Großbetrieben. In ihrer Chronologie etwas fragwürdig, aber dennoch zielführend werden die unterschiedlichen Produktionsformen miteinander verglichen. Zugleich besitzt die erste Doppelseite mit ihrem Wimmelbild einen Suchbild- oder mindmapartigen Charaker, die auf vergleichende Aussagen abzielt. Die Kleinbetriebe weisen häufig mehr zusätzliche Bereiche auf, wie z.B. die Blühstreifen auf der Streuobstwiese oder die große Weide bei der ökologischen Milchproduktion.
Die Doppelseiten, die auf die Wimmelbilder folgen, sind teilweise sehr unübersichtlich. Vor allem junge Leser:innen müssen mehr geleitet werden, da das Lesen von links nach rechts, noch nicht hinreichend internalisiert ist. Teilweise klingt diese Anleitung an, beispielweise beim Schwein und seiner Schlachtung, wo die einzelnen Schritte nummeriert werden. Dies ist sehr sinnvoll und sollte verstärkt ausgebaut werden. Ferner sind die vielen Fach- und Fremdworte in den kleinen Texten etwas hinderlich, dazu zählen vor allem die Nominalisierungen wie Betäubung, Tötung, Brühung oder Zerlegung. Diese Begriffe dürften für die Zielgruppe problematisch sein. Ein Verzicht zugunsten einer kindgerechteren Beschreibung ist daher empfehlenswert.
Kritisch zu betrachten sind darüber hinaus einige Abbildungen. So wird bei der Milchproduktion im Kleinbetrieb, im Buch als Bauernhof gefasst, noch die Anbindehaltung und die Rohrmelkanlage genutzt, die auch auf Kleinbetrieben kaum mehr anzutreffen ist. Letztere ist seit 2016 rechtswidrig und daher verboten. Insgesamt muss auch infrage gestellt werden, inwieweit die dargestellten Betriebe wirtschaftlich sind. Betriebe mit zehn (ökologisch) oder 62 Tieren (konventionell) können nicht kostendeckend arbeiten, sondern höchstens im Nebenerwerb betrieben werden. Das dargestellte Melkkarussell mit 30 Plätzen ist für die Anzahl von Kühen nicht üblich, sondern wird erst ab Größenstrukturen von über 800 eingesetzt. Aus Fachkreisen ist bekannt, dass ein Milchviehbetrieb aktuell ca. 200 bis 300 Kühe halten muss, um wirtschaftlich zu produzieren. Die Problematik der Wirtschaftlichkeit zeigt sich auch bei der Streuobstwiese. Es bedarf hier einer gezielten Leitung durch die betreuende Lehrperson, welche diese Fragestellungen anspricht und die Schüler:innen dafür sensibilisiert, sodass sich keine Fehlvorstellungen ausbilden.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Kinderbuch optisch und haptisch ansprechend gestaltet ist. Durch die Wimmelbilder gibt es viel zu entdecken und es werden Produktions- und Wertschöpfungsketten umfassend dargelegt. Dennoch sind die Doppelseiten, die die Abläufe darstellen für junge Leser:innen unstrukturiert und teilweise schwierig zu verstehen. Auch die Termini, die genutzt werden, und die Sprache der Bilder sind sehr fordernd für die junge Leserschaft. Eine Begleitung durch Erwachsene in Schule und Freizeit daher erforderlich oder wünschenswert. Zudem werden Fragestellungen der Wirtschaftlichkeit nicht aufgegriffen, was ohne eine entsprechende Betreuung durch eine Lehrkraft zu Fehlvorstellungen bei den Lernenden führen kann.
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