Change the Future. Mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen
Das vorliegende Werk „Change the Future. Mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen“ ist 2020 erstmalig unter der Verlegung der APPL-Firmengruppe Wemding erschienen. Seit Ende Januar ist das selbsternannte Umwelt-Activity-Book in den Filialen von ALDI Nord erhältlich. Neben dieser Ausgabe gibt es noch weitere Exemplare, die sich mit den Recycling-Zyklen, Veganer/Vegetarischer Ernährung oder allgemeinen Erläuterungen zum Klimawandel beschäftigen. Das Werk richtet sich zwar an Erwachsene, besitzt aber Potenzial für die Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen im schulischen oder außerschulischen Rahmen, da es Erklärungen zum Thema und konkrete Handlungstipps bereithält. Vorweg muss gesagt werden, dass sich das Buch nicht explizit an Jugendliche richtet. Dennoch bietet es für Lehrpersonen und pädagogische Mitarbeitende im Nachmittagsunterricht, im Projektlernen oder in anderen Bildungskontexten vielfältige Möglichkeit, Lerngelegenheiten zu schaffen. Im Kontext Landwirtschaft sind insbesondere die Kapitel eins „Haushalt“, vier „Ernährung“ und sieben „Garten“ spannend zur Betrachtung.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des „Umwelt-Activity-Books“ erhalten die Lesenden die Möglichkeit, vielfältige Fähigkeiten und Fähigkeiten zu erwerben, die neben dem Thema Landwirtschaft auch andere Bereiche des täglichen Lebens betreffen, wie Wohnen oder Kosmetika. So werden im Kapitel zu Kosmetika verschiedene Alternativen zu Plastik und/oder Mikroplastik enthaltene Produkte im Bad listenartig aufgezeigt. Auch natürliche Alternativen zu Produkten wie Haarspülung, für die auch Apfelessig verwendet werden kann, oder ein Gesichtspeeling, das aus Honig und Zucker hergestellt werden kann, kommen zur Sprache. Im Kapitel zur Ernährung wird über die Saisonalität von Obst und Gemüse berichtet und ein Saisonkalender bereitgestellt, der auch mit einer Lerngruppe thematisiert werden könnte. Zudem zeigt das Buch verschiedene Arten von Biosiegeln und erläutert deren Grundstrukturen. Der Bereich im Werk, der sich dem Garten zuwendet zeigt die Bedeutung der Insekten für eine biologische Vielfalt im Garten auf. Darüber hinaus werden die Aufgaben der Insekten zusammengestellt und Möglichkeiten genannt, wie dem Insektensterben im persönlichen Handlungsfeld entgegengewirkt werden kann.
Das Buch vermittelt neben inhaltlichen Kompetenzen auch methodische Fähigkeiten, die zumeist im Rahmen von sogenannten Challenges (z. dt. „Aufgaben“ und „Herausforderungen“) geschult werden. Dabei werden je nach Schwierigkeit, Umfang und zusätzlichem (vorausschauend gedachtem) Motivationsbedarf Checklisten oder Tipps mit hineingegeben. An einigen Stellen werden die Challenges durch Bildfolgen unterstützt.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Buch kommt im quadratischen Format mit Softcovereinband daher. Es steigt ein mit einer Titelseite, auf die das Vorwort folgt. Daran gliedert sich das Inhaltsverzeichnis an, das drei einleitende Doppelseiten vorschiebt, bevor die acht inhaltlichen Kapitel folgen. Neben dem Inhaltsverzeichnis ist eine Einzelseite mit Bildern zu finden, die einige Impressionen zu den Kapiteln liefern. Das Buch verfügt über eine doppelseitige Struktur. Die drei ersten Seiten leiten in die Thematik Nachhaltigkeit ein, wobei die erste Doppelseite auf die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstils der Menschen eingeht. Darauf folgt die zweite Doppelseite, die sich mit dem Thema „bewusster Konsum“ befasst und Aspekte des Greenwashings sowie den Ansatz „Masse statt Klasse“ folgend, die Grundsätze dieses Bewusstseins darlegt. Die letzte den inhaltlichen Kapiteln vorgeschaltete Doppelseite greift die fünf R´s auf, also fünf Regeln, die nachhaltigeres Handeln leiten können (refuse, reduce, reuse, recycle, rot). Diese ersten Seiten Seiten enthalten überwiegend Texte, die mehr als die Hälfte der Seiten ausmachen, sowie Bilder und andere Illustrationen.
Die acht inhaltlichen Kapitel wenden sich den Schwerpunkten Haushalt, Kosmetik, Wohnen, Ernährung, Mobilität, Reisen, Garten und Mode zu. Auf den Seiten der Kapitel werden ebenfalls Texte, Bilder, Grafiken und andere Illustrationen miteinander verknüpft präsentiert. Sie geben zunächst stets einige wesentliche Informationen zur jeweiligen Thematik. So wird beispielsweise im Kapitel zum Thema Haushalt über Müll und die richtige Trennung Auskunft gegeben. Im Weiteren wenden sich die Erläuterungen dem Einkaufen zu, wobei besonderer Fokus auf die Verpackungen und deren Zusammensetzung gelegt wird. In der Regel wird dann eine sogenannte Challenge vorgeschlagen, welche verschiedene Projekte zur Umsetzung vorschlägt. Dabei wird die Leser:innenschaft mit Checklisten oder Hinweisen zum Arbeitsablauf unterstützt. Einige Seiten bieten auch die Möglichkeit, dass selbst etwas eingetragen werden kann.
Am Ende des Werkes findet sich das Impressum, in dem die Autor:innen, der Verlag und andere wichtige Hinweise gegeben werden.
Reflexion unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes in Bildungssettings
Insgesamt hat die Analyse der Seiten gezeigt, dass das Buch anschaulich, übersichtlich und einheitlich gestaltet ist. Besonders auffällig ist das hochwertige Layout, das zertifizierte Papier und die angenehme Haptik des Werkes. Zudem überzeugt das Buch äußerlich durch das passende Format und ein moderne Design, das ästhetisch vor allem eine jüngere Zielgruppe und jung Gebliebene ansprechen dürfte. Ferner kann zur äußerlichen Gestaltung gesagt werden, dass die Bilder die Leser:innen aus ihrer Lebenswelt abholen. Dazu tragen auch die Icons bei, die genutzt werden, da sie ähnlich der Darstellungen in digitalen Apps sind (z.B. im Saisonkalender). Auch das Schriftbild ist ansprechend und verfügt über ein modernes Design. Sie kann weiterhin als barrierearm beschrieben werden, da Serifen enthalten sind. Die Seiten verfügen über eine gute Strukturierung, was durch die Zwischenüberschriften nachdrücklich deutlich wird.
In Kapitel vier „Ernährung“ wird zunächst ein Faktencheck vorgenommen und aufgegriffen, welche Bereiche für den Nachhaltigkeitskontext besonders relevant sind. Dazu zählen: Saisonalität, Regionalität und ökologischer Anbau. Zunächst erfolgt eine Erläuterung der Begriffe und die Nennung zentraler Fakten, z.B. zum Konsum von Gemüse in Deutschland oder zum Anteil ökologisch wirtschaftender Betriebe an der Gesamtmenge Deutschlands. Im Weiteren wird auf die Einkaufsmöglichkeiten und regionalen Alternativen der Lebensmittel eingegangen. Der Wochenmarkt oder der Bio-Hofladen als Angebot neben den Supermarktketten aufgeführt, auch Onlinemöglichkeiten wie Marktschwärmer werden genannt, die es allerdings nur in Städten gibt. Spannend sind ferner die Erläuterungen zu den Superfoods und wie diese durch regionale Produkte ersetzt werden können. Die Ausführungen sind fachlich fundiert und richtig, wenngleich sich an einigen Stellen eine sprachliche Reduktion für eine jüngere Zielgruppe anbieten würde, da Begriffe wie „Pendant“ (S. 50) oder „Pseudogetreide“ (S. 51) für sie schwierig zu verstehen sind. Es folgt eine Doppelseite mit einem Saisonkalender, der sehr gelungen ist Die Obst- und Gemüsesorten sind darauf gut zu erkennen, auch wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass Schüler:innen alle benennen könnten. Die folgende Doppelseite thematisiert die ökologische Landwirtschaft. Hier wäre es erforderlich, dass die Schüler:innen bereits mit dem Konzept und den Unterschieden zur konventionellen Landwirtschaft vertraut sind, bevor diese Seite vertiefend bearbeitet werden könnte. Zunächst werden die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft für die Gesundheit dargestellt. Dieser Zusammenhang konnte von einigen Studien bereits belegt werden (vgl. hierzu Mie et al. 2016). In diesem Abschnitt wird jedoch behauptet, dass in der konventionellen Landwirtschaft „immer wieder genmanipuliertes Saatgut zum Einsatz kommt“ (S. 54). In Deutschland und der EU, auf die im Buch maßgeblich Bezug genommen wird, gelten strenge Regeln für den Einsatz von Gentechnik (die strengsten Auflagen weltweit). Im Ausland, insbesondere den USA, gibt es weniger strenge Auflagen, sodass davon ausgegangen wird, dass 60-70% der Lebensmittel in deutschen Supermärkten in ihrer Produktionskette mit Gentechnik in Berührung gekommen sind (Näheres hier: https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/genome-editing-technologie-mit-zukunft"> href="/https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/genome-editing-technologie-mit-zukunft)" rel="nofollow" target="_blank">https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/genome-editing-technologie-mit-zukunft">https://www.lebensmittelverband.de/de/aktuell/genome-editing-technologie-mit-zukunft). Insgesamt ist diese Formulierung jedoch zu pauschal mit Blick auf die komplexe Debatte, die dazu derzeit in der Wissenschaft und Öffentlichkeit geführt wird. Der zweite Absatz greift die Vorteile der Öko-Landwirtschaft auf und kommt auf die Fruchtfolge zu sprechen, die charakteristisch für diese Form des Anbaus sein soll. Jedoch gibt es hier bislang keine einheitlichen Richtlinien (vgl. Haller et al. 2020, S. 17). Dies ist jedoch ebenfalls eine verkürzte Aussage, da auch die konventionelle Landwirtschaft eine Fruchtfolge einhalten muss, um die Fruchtbarkeit der Fläche dauerhaft sicherzustellen. Im Weiteren finden sich weitere pauschalisierende, wissenschaftlich bislang nicht nachgewiesene Aussagen, z.B. dass Arbeiter:innen in der konventionellen Landwirtschaft aufgrund der hohen Pestizidbelastung eine geringere Arbeitssicherheit besitzen, als in der ökologischen Landwirtschaft. Auch die Unterstellung, dass bei der Produktion von Lebensmitteln „gepfuscht“ werde und Produkte fälschlicherweise als Bio-Lebensmittel zertifiziert werden, ist schlichtweg zu pauschal. Hier wäre eine differenziertere Ausführung notwendig. Die Erläuterungen zu den Bio-Siegeln sind gut gelungen, wenngleich sie an einigen Stellen etwas knapp ausfallen und die Unterschiede nicht abschließend deutlich werden. Zudem wird uneinheitlich gegendert.
Die anschließende Challenge hat nur in Teilen einen kompetitiven Charakter, sodass sie für die Zielgruppe der Schüler:innen noch etwas besser aufbereitet werden müsste. Im Rahmen eines Projektlernens oder des Ganztagsunterrichts ließe sich dies jedoch gut umsetzen. Besonders geachtet werden sollte zudem auf einen sensiblen Umgang mit möglichen Responsibilisierungstendenzen, wobei die Bürger:innen allein für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung verantwortlich gemacht werden. Politisch-strukturelle Rahmenbedingungen und Entwicklungen werden dabei nicht ausreichend beachtet. Hierbei wäre es wichtig herauszustellen und das geschieht in dem Buch an keiner Stelle, dass nur eine gemeinsame Anstrengung auf allen Ebenen eine nachhaltige Entwicklung in den beobachteten Bereichen ermöglicht. Im Bildungskontext ist es in diesem Sinne ebenfalls erforderlich, einen echten Handlungsbezug zu dieser Ebene im eigenen Nahraum zu schaffen. Dieser könnte durch die Umsetzung eines eigenen, individuellen Lernvorhabens realisiert werden. Eine Projektwoche, bei der entsprechend der einzelnen Kapitel bzw. Handlungsfelder die politisch-strukturelle Ebene beispielsweise der kommunalen Abfallwirtschaft thematisiert wird und die persönliche Handlungsebene in der Schule und privat. Die Lernenden könnten eigene Schwerpunkte wählen und in dem Beispielfeld die Gestaltung auf kommunaler Ebene politisch-strukturell untersuchen und darauf aufbauend die vorgeschlagenen Tipps für einen nachhaltigen Umgang testen. Im Sinne des Whole-Institution-Approach könnte diese Woche durch ein nachhaltiges Mensa-Essen (z.B. Regional, Saisonal oder Vegan/Vegetarisch) und Erkundungen in den Nahraum begleitet werden.
Insgesamt ist deutlich geworden, dass das Buch gute und schüler:innenorientierte Zugänge für Lehr-Lern-Settings im Kontext Nachhaltigkeit liefert. Besonders die überwiegend einfach formulierte und gut strukturierte, schüler:innengerechte Sprache sowie das ansprechende Layout bestechen. Die Gestaltung des Werkes durch das Aufzeigen konkreter Handlungsoptionen und entsprechender Hinführung durch „Challenges“ als kompetetive und spielerische Umsetzung des Gelernten im Alltag stellen eine weitere gelungene Besonderheit für den Einsatz in Bildungssettings dar. Weniger gut recherchiert und teilweise pauschalisierend waren die inhaltlichen Ausführungen, insbesondere zum Thema Landwirtschaft und die veralteten Datensätze, die dringend durch die Lehrkraft angepasst und grundsätzlich überarbeitetet werden sollten. In Kombination mit geeigneten didaktisch-methodischen Formaten lassen sich die im Buch skizzierten Zugänge sehr gut im Unterricht oder in außerschulischen Settings einsetzen.Details Eintrag
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