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Lein und Flachs wiederentdeckt Beliebt

Lein und Flachs wiederentdeckt
Leinsamen, Linoleum, Ölfarben, Dämmstoffe, Kordel, Leinenstoffe – seine Produkte sind vielfältig. Der Gemeine Lein hat eine lange Tradition und kehrt mit seinen wunderschönen Blüten auf unsere Felder zurück. Wir erläutern seinen Anbau, seine Verarbeitung und seinen Beitrag zur Kulturvielfalt.
Eine Pflanze mit Kultur

Die Ägypter verwendeten Leinenfasern bzw. Flachs bereits vor 5.000 Jahren als textilen Rohstoff. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entfielen in Deutschland über 200.000 Hektar auf den Anbau von Flachs. Außerdem säte man fettreiche Leinsorten, um Öl als Lebensmittel und Rohstoff zu gewinnen. Manche Landstriche erblühten so blau, dass ein Besuch dort „eine Fahrt ins Blaue“ genannt wurde. Bis heute tragen sie teilweise den Lein als Blume im Ortswappen, z. B. Sonthofen im Oberallgäu.

Im Laufe der Zeit drängten Konkurrenzprodukte wie Baumwolle, später neue synthetische Fasern die Pflanzenfasern fast vollständig vom Markt. Auch die Nachfrage nach Leinöl litt unter der Konkurrenz. Der Anbau von Faserlein und Öllein kam (beinahe) zum Erliegen. Doch die Pflanze bleibt eine wertvolle Kulturart und Nutzpflanze, inzwischen mit neuen Absatzmöglichkeiten.

Besonders in Sachsen, Hessen und Süddeutschland möchte man Lein wieder vermehrt nutzen. Er trägt als Sommerfrucht zur Biodiversität auf unseren Feldern bei. Da er nicht selbstverträglich ist, braucht er lange Fruchtfolgen mit einer Anbaupause von sechs Jahren.

In nur 100 Tagen zur Ernte

Der Gemeine Lein ist eine einjährige krautige Pflanzenart, die eine Wuchshöhe von 20 bis 100 Zentimetern erreicht. Lein bildet – wie Hanf – in der Rinde des Stängels Bastfasern aus Cellulose, die die Standfestigkeit erhöhen. Der Cellulose- Anteil liegt bei 70 bis 80 Prozent. Es gibt einige Lein-Sorten, die relativ lange Stängel bilden. Dank der langen Fasern eignen sie sich gut für den Flachsanbau.

Das Klima Mitteleuropas ist für den Anbau zwar nicht ideal, die Böden bringen aber sehr gute Erträge. Die Aussaat erfolgt im März oder April in Reihen in ein feinkrümeliges, aufgewärmtes Saatbett, das mit Erde bedeckt wird. Für einen guten Wuchs braucht die Pflanze genug Wasser bis zur Blüte im Juni (mind. 120 mm). Zu viel Stickstoff und Unkräuter schaden ihr.

Die blauen Blüten werden gern von Insekten angeflogen, bestäuben sich aber selbst. Die befruchteten Blüten bilden Kapseln, gefüllt mit braunen bis goldgelben Samen. Sie reifen und trocknen bis Ende August. Deren Ernte erfolgt mit einem Mähdrescher. Faserlein wird sogar schon nach etwa 100 Tagen, im Juli, wenn die Blätter welk oder abgefallen sind (Gelbreife), geerntet.

Winzige ölreiche Samen

Die Samen des Leins enthalten etwa 40 Prozent Fett. Daher werden solche Sorten auch Öllein oder Saatlein genannt. Zudem enthalten sie Eiweiße, Schleimstoffe, Lecithin, Sterine, Vitamin E und mehrere B-Vitamine. Sie sind beliebte Zutat in Broten und Müslis. Wegen der quellenden Schleimstoffe helfen sie gegen Verstopfung.

Der Nährwert, aber auch die Eignung als Industrierohstoff ist weitgehend von der Zusammensetzung der Fette, also vom Fettsäuremuster abhängig. Leinöl besteht zu 50 Prozent aus der mehrfach ungesättigten Fettsäure Linolensäure, essenziell für viele Körperfunktionen. Kalt gepresstes Leinöl gilt daher als Speiseöl für Gesundheitsbewusste. Es schmeckt nussig und sollte stets dunkel, kühl und luftdicht gelagert werden, denn Leinöl „oxidiert“.

Genau wegen dieser Eigenschaft trocknet es an der Luft und liefert einen wichtigen Grundstoff für die Herstellung von biobasierten Farben und Linoleum.

In der Ölmühle

Nach der Anlieferung wird die Leinsaat zunächst gereinigt. Dann bricht der Walzenstuhl die gereinigte Saat auf, dabei entsteht eine flockige, aber trockene Masse. Es folgt die erste Pressstufe: eine schonende Kaltpressung auf Schneckenpressen. In einem steten Strom läuft das Öl aus der Presse. Seine charakteristische klare, goldgelbe Färbung erhält das Speiseleinöl erst durch das Abfiltern der Schleimstoffe.

Der mehlartige Pressrückstand, Leinkuchen genannt, enthält alle übrigen Nährstoffe der Samen und noch etwas Öl. Er ist nahrhaft, ebenso wie die cremige Masse, die beim Filtern anfällt. Alle Nebenprodukte werden z. B. als Tierfutter oder Nahrungsmittel verwertet.

Durch Erhitzen und eine zweite Pressung des Leinkuchens lässt sich das restliche Öl gewinnen. Dieses Rohöl wird durch Raffination gereinigt. Es ist weniger empfindlich und lässt sich zu Lebensmitteln weiterverarbeiten oder technisch nutzen, z. B. Lacke (Firnis), Spachtelmasse, Weichmacher, Spezialseife und wasserdichtes Gewebe.

Stroh muss rösten

Um die Fasern zu gewinnen, sind früher wie heute langwierige, witterungsabhängige Schritte notwendig, die mit hohem Aufwand und Risiken verbunden sind. Für die Ernte möglichst langer Fasern ziehen Spezialmaschinen die kompletten Pflanzen mit ihren Wurzeln aus der Erde und legen sie in Schwaden parallel auf dem Feld ab, immer mehrere Reihen aufeinander. Der Vorgang heißt Raufen.

Unter freiem Himmel folgt die mehrwöchige sogenannte Röste, bei der unter dem Einfluss von Bakterien und Pilzen Teile der Pflanze verrotten. Diese Abbauprozesse lösen die Fasern von den holzigen Teilen und trocknen die Pflanzen zu Röststroh, das zu Ballen gepresst wird. Die Ballen lagern drei Monate, was für eine gleichmäßige Restfeuchte und Faserqualität sorgt.

Beim Schwingen bricht das Flachsstroh mechanisch auf; rotierende Messer trennen die Holzteile (Schäben) von den Fasern ab. Übrig bleiben Langfasern (Schwungflachs) mit einer Mindestlänge von zehn Zentimetern und Kurzfasern (Schwungwerg) als Nebenprodukt.

Gefragte Naturfasern

Lange Flachsfasern für Spinnereien werden nach dem Schwingen noch mit der Maschine ausgekämmt (Hecheln), dadurch weiter gesäubert und von weiteren Kurzfasern (Hechelwerg) abgetrennt. Denn für Stoffe sind lange, sehr fein aufbereitete Fasern nötig. Die Faserteile werden für Kleidung erst zu Garn gesponnen und dann zu Stoff gewebt. Textilien aus Leinen sind robust, kühlend und feuchtigkeitsregulierend.

Schäben eignen sich z. B. als Einstreu für Pferde und Kleintiere. Kurzfasern dienen als Bau- und Werkstoffe, Spezialzellstoff für nassfestes Papier und Mulchmaterial im Garten. Besonders großes Potenzial birgt der Einsatz der Fasern für Dämmstoffe, Vliese und naturfaserverstärkte Kunststoffe, kurz NFK, z. B. in Geschirr oder im Fahrzeugbau. Sie lassen sich besser verarbeiten als z. B. Glaswolle, haben ein geringeres Gewicht, dämmen gut, splittern bei Unfällen nicht und lassen sich gut entsorgen. Der Aufwand der Herstellung wird sich bei steigender Nachfrage nach Naturfasern also wieder eher lohnen.