Das vorliegende Kinderbuch „Nix für die Tonne! 32 Ideen zur Müllvermeidung“ ist 2019 im Èditions Rustica in französischer Sprache erstmalig erschienen. Die deutsche Fassung erschien im selben Jahr bei arsEdition GmbH-Verlag. Das Buch ist geeignet für Kinder ab acht Jahren, die sich mit Möglichkeiten der Müllvermeidung (auch: ZeroWaste) in unterschiedlichen Lebensbereichen auseinandersetzen möchten. Mit dieser Themenstellung bieten sich auch in Bildungskontexten Einsatzoptionen, beispielsweise im Sachunterricht der Grundschule, in angegliederten Projektwochen oder außerschulischen Projekten, sowie im Rahmen des informellen Lernens für Bildungsträger wie Umweltbildungszentren. Ferner ist das Buch eingebettet in eine Reihe, in der mehrere Kinderbücher zum Thema Nachhaltigkeit oder Klimawandel angeboten werden, die die Heranwachsenden zum Mitmachen anregen.
Lernziele und Kompetenzen
Mit dem Lesen des Buches erwerben die Lernenden vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten rund um das Thema Müllvermeidung. Neben kleinen theoretischen Aspekten, zu denen eine kleine Erläuterung gegeben wird, wird eine konkret aktionale und affektive Ebene von Aufgaben bedient. Somit werden sowohl inhaltliche als auch prozessorientierte Kompetenzen aufgebaut, die Bestandteil der Curricula sind. Die Schüler:innen erfahren zunächst einige grundlegende Aspekte zum Thema Abfall: Was als Abfall bezeichnet wird, wie viel Abfall in den Haushalten anfällt und was ZeroWaste bedeutet. Darauf aufbauend lernen die Schüler:innen verschiedene Möglichkeiten der Müllvermeidung, z.B. beim Verschenken und Weiterverwerten (Upcycling) von Kleidungsstücken etwa für Stulpen oder Topflappen (Tawashi) sowie dem direkten Kauf von mehrfach wiederverwendbaren Alternativen, z.B. bei Waschlappen, Taschentüchern oder Geschenkpapier. Auf diese Weise werden verschiedene Lebensbereiche von Haushalt über Geschenke bis hin zu Gartenarbeit thematisiert.
Besonders erwähnenswert ist die didaktisch-methodische Aufbereitung, bei der die Schrittfolge abgebildet und direkt von den Lernenden angewendet werden kann. Durch die Illustrationen kann die Abfolge für die Kinder nachvollzogen und im Rahmen handlungsorientierter Lehr-Lern-Vorhaben eingesetzt werden.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Buch kommt im Taschenbuch-Format daher und besitzt einen Softcovereinband mit Klappen, auf denen die Autorin kurz vorgestellt sowie die weiteren Kinderbücher des Verlages beworben werden. Nach der Titelseite folgt das Inhaltsverzeichnis, in dem die fünf inhaltlichen Kapitel zu finden sind. Im ersten Vorwort und der Einleitung wird die Problemstellung der Vermüllung kurz umrissen, wobei vor allem der Plastikmüll im Vordergrund steht. Die Einleitung greift das Thema Abfall auf, definiert den Begriff und benennt einige Kennzahlen zur Müllproduktion in Deutschland. Daran schließen sich die fünf Kapitel mit den Tipps an, die thematisch geordnet nach den Kategorien „in Haus und Garten“, „im Bad“, „mit Freunden“, „in der Küche“ und „Draußen“ aufgegriffen werden. Unter dem ersten Schwerpunkt werden beispielsweise Möglichkeiten gezeigt, wie Kompost angesetzt, Papier hergestellt oder alltägliche „Abfälle“ aufgearbeitet werden können, z.B. in Form von Stiftehaltern, Haarbändern oder Stulpen. Das zweite Kapitel „im Bad“ legt den Fokus auf Aspekte der Körperhygiene und das Einsparen von Plastikmüll, z.B. in Form der eigenen Herstellung von Zahnpasta oder der Nutzung von Seife anstatt Duschgel. Im Kapitel „Mit Freunden“ wird auf das Verschenken eingegangen und Möglichkeiten gezeigt, wie Geschenke nachhaltig mit Furoshiki verpackt werden können oder eine Kleidertauschbörse organisiert werden kann. „In der Küche“ weist das Buch Optionen aus, wie Lebensmittelreste lecker in „Süßen Gläschen“ oder in Gemüsecurry verarbeitet werden können. Das letzte Kapitel „Draußen“ fokussiert auf das Sammeln von Abfall, das Bauen eines Vogelhäuschens oder die Herstellung von natürlichen Sprays gegen Blattläuse. Den Abschluss bilden das Begriffsglossar und das Register.
Die Seiten sind in einer Doppelseitenstruktur angelegt. Dabei findet sich auf der ersten Seite häufig ein Dialog zwischen dem Marienkäfer-Mädchen Marie, das als Symbol-Tier des Buches betrachtet werden kann und einem Kind. Dabei wird ein Problem und dessen Lösung thematisiert. Die zweite Seite legt dann den Fokus auf die schrittweise Umsetzung der Ideen.
Kennzeichnend sind ferner die Illustrationen und die Kombination verschiedener Text- und Schriftarten.
Reflexion
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Kinderbuch adressat:innengerecht, anschaulich und strukturiert aufgebaut ist. Durch sein einheitliches Layout und die jeweils gleiche Farbgebung der Kapitel schafft es bereits beim ersten Blick hinein einen guten Überblick. Marienkäfer Marie, als Leitfigur des Buches, wird durchgängig genutzt und besitzt daher einen hohen Wiedererkennungswert für die Lesenden.
Die Texte besitzen komplexe Strukturen und sind häufig Hauptsatz-Nebensatz-Konstruktionen, die für Erstleser:innen schwierig zu verstehen sind. Dies fällt bereits bei den ersten beiden einführenden Seiten auf. Ferner sind die Wörter häufig Komposita (überquellend, Müllteppich, Verpackungswahn, Geäst), die ebenfalls eine Hürde für die Leser:innen darstellen können. Kürzere Sätze, die eine einfache Satzstellung aus Subjekt-Prädikat-Objekt aufweisen, wären zielführender. Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass das Buch einen direkten Lebensweltbezug aufweist und schwierige Begriffe direkt in eine schüler:innengerechte Sprache übertragen werden. Beispielhaft kann hier die Einführungsdoppelseite genannt werden, die den Begriff Abfall anschaulich in seine einzelnen Aspekte zerlegt und erläutert. Als weiterer Punkt lässt sich dazu anführen, dass immer ein Kind am Beginn der jeweiligen Seite zu Wort kommt und das Dialogformat stets gewahrt wird. Auf diese Weise werden die Lernenden dort abgeholt, wo sie stehen und die Aufmerksamkeit direkt auf das Problem gelegt. Die Problemzentrierung ist insofern von Vorteil, da die Kinder sofort wissen, worum es geht. Zugleich wird Ihnen unmittelbar eine Lösung präsentiert. Eigene Überlegungen der Leserschaft werden nicht eingefordert, sind aber mit Blick auf die Komplexität wünschenswert. Für den Einsatz in schulischen Lehr-Lern-Settings ist dies eminent wichtig, um den Umgang mit Dilemmata und das Fällen eigener Entscheidungen anzubahnen sowie die Kreativität der Kinder zu fördern. Ein weiterer Aspekt sollte außerdem der Transfer sein. So könnte beispielsweise nicht nur über Mülltrennung im Kinderzimmer oder im Privathaushalt auch über die Mülltrennung in der Schule oder in der Bildungseinrichtung gesprochen werden. Auch das gemeinsame Planen, Durchführen und Reflektieren einer Kleidertauschaktion oder eines Flohmarktes, bei dem auch externe Personen z.B. aus der Gemeinde teilnehmen können, wäre ein weiteres Umsetzungsbeispiel. Dies trägt nicht nur zur Öffnung der Schule bei sondern zeigt auch die Bedeutung der Partizipation jedes:jeder Einzelnen auf.
Die Farben, Bilder und Illustrationen sind außerordentlich schüler:innengerecht. Zur Farbgebung lässt sich sagen, dass diese sehr strukturiert ist und alle Seiten eines Kapitels dieselbe Farbe aufweisen. Bezüglich der Bilder und Illustrationen ist hinzuzufügen, dass diese ausschließlich Kinder darstellen, die verschiedene Geschlechter und Hautfarben aufweisen. Noch inklusiver wäre es, wenn auch Kinder mit Behinderungen z.B. mit einem Rollstuhl abgebildet würden.
Die Schrittfolgen und Abläufe zur Ausführung der Tipps sind gut illustriert und so leicht nachzumachen. Wünschenswert wäre eine Art „Zutatenliste“, sodass alle benötigten Materialien vorher beschafft und Vorbereitungen im Vorfeld getroffen werden könnten.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Kinderbuch ein gut gelungenes Instrument ist, um mit Kindern nachhaltige Alternativen im Alltag zu besprechen und auszuprobieren. Für die jungen Leser:innen bietet es einen guten und leichten Einstieg in die schwierige Thematik, die insbesondere über die angenehme Farbgebung, die lebensweltnahen Darstellungen und die schrittweisen Handlungsanleitungen gegeben wird. Wünschenswert wären neben den Materiallisten kindgerechtere Formulierungen und ein einfacherer Satzbau, sodass die Lesenden noch besser damit arbeiten können. Die Lehrkraft kann sehr gut daran anknüpfen und transferierende Aspekte einbringen sowie Projekte zur Öffnung der Schule anbahnen.